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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Autoren: Elspeth Cooper
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meiste davon doch schon zu wissen.«
    »Sag es mir trotzdem. Es wird uns die Zeit vertreiben, während wir essen.« Alderan war mit seinem Apfel fertig. »Gibt es irgendwo Senf? Das Fleisch sieht gut aus.«
    Wie kann er bloß so sachlich bleiben? Magie ist eine Todsünde – ich bin bis in alle Ewigkeit verdammt, und er hört sich so an, als würde er über den Preis für Weizen reden! Woher weiß er so viel darüber und über mein Leben?
    Verwirrt sagte Gair ihm alles, während er in seinem Kopf einen neuen Schmerz ausbrütete. »Es fing an, als ich ein kleiner Junge war. Damals war ich etwa fünf Jahre alt. Ich hatte mich in die Speisekammer geschlichen und wollte mir etwas Marzipan holen, aber ich war noch so klein, dass ich den Topf oben auf dem Regal nicht erreichen konnte. Ich habe es immer wieder versucht, und schließlich habe ich die Hände ausgestreckt und dem Topf befohlen, zu mir zu kommen. Ich war erfolgreich und habe so viel gegessen, dass ich alles auf den besten Teppich meiner Pflegemutter erbrochen habe.«
    »Hast du ihr gesagt, was passiert war?«
    »Sie hat mir nicht geglaubt. Sie dachte, eine der Mägde hätte mir den Topf heruntergeholt, oder sie hätte ihn irgendwo stehen lassen, wo ich an ihn herankommen konnte.« Er hatte damals darauf beharrt, dass seine Geschichte der Wahrheit entsprach, denn er wollte die Mägde nicht für etwas in Schwierigkeiten bringen, was sie nicht getan hatten, aber es hatte nichts genützt, und das Kindermädchen hatte ihn zudem geschlagen, weil er angeblich Lügen erzählt hatte.
    »Und dann?«
    Gair rieb sich die Stirn. Der Schmerz hatte sich hinter seinen Augen festgesetzt. Er war nicht sehr stark, stach ihm jedoch brummend ins Hirn. »Es war ziemlich genau so, wie Ihr gesagt habt. Zuerst waren es kleine Dinge. Einfache Dinge. Ich konnte Licht machen, auch wenn ich keine Kerze hatte. Ich konnte ein Feuer ohne Flint und Stahl anzünden. Die Musik kam erst später – in dem Sommer, als ich zehn wurde.« Zuerst war es aufregend gewesen, im Besitz eines Geheimnisses zu sein, das niemand sonst kannte. Er hatte viele Stunden an abgelegenen Orten mit einem Kerzenstummel verbracht, den er aus der Vorratskammer der Burgverwalterin stibitzt hatte, und hatte eifrig geübt, obwohl ihm bewusst gewesen war, dass ihm Schlimmeres als Schläge drohte, falls er dabei erwischt werden sollte. Nach einiger Zeit hatte er angefangen, Musik zu hören – zuerst nur, wenn er die Magie berührt hatte, bald aber die ganze Zeit über. Sie hatte sein Bewusstsein jeden Augenblick des Tages durchwoben. Später hatten sich die Flammen geweigert zu kommen, wenn er sie rief; die Kerzen waren explodiert, das kochend heiße Wachs in einem Schauer niedergegangen. Dann hatte er die Musik kreischen gehört.
    »Wie bist du ins Mutterhaus gekommen?«
    Er war zu alt für ein Kindermädchen geworden und hatte ein eigenes Zimmer unter dem Dach bekommen. Er hatte sich an die Abgeschiedenheit gewöhnt und sich nichts dabei gedacht, ein Licht heraufzubeschwören, wenn seine Kerze heruntergebrannt war, damit er auch nach dem Zubettgehen noch lesen konnte. In jener Nacht hatte er sich bis nach Mitternacht in Prinz Corum und die vierzig Ritter versenkt, und die Haushälterin Kemerode hatte an seine Tür geklopft, um ihn daran zu erinnern, dass es Zeit war, endlich zu schlafen. Er hatte das Klopfen nicht bemerkt und auch nicht, wie die Tür geöffnet wurde, aber er hatte ihren Schrei gehört, als sie das Licht gesehen hatte, bei dem er las.
    » Scheußling!« Ihr Mund war ein rundes rotes O des Grauens, ihre Hand machte das Zeichen des Segens über der Brust. »O Herrin, holt rasch den Lektor. Der Junge ist ein Schattenkind!«
    Und das war das Ende gewesen. Seine Pflegemutter hatte stille Tränen geweint, während ihr Gemahl sich darüber erzürnt hatte, wie undankbar Gair für das Dach über seinem Kopf und das Essen auf seinem Teller war. Dann war der Lektor gekommen. Weniger als einen Tag später war Gair auf ein Pferd gesetzt und nach Norden geschickt worden – ein Junge, der ein zu langes und zu schweres Schwert an seine Brust drückte und dankbar für den Regen auf seinem Gesicht war, weil das knochige Klappergestell von Vikar hinter ihm dadurch nicht sah, dass er weinte.
    Wut und Scham flackerten erneut in ihm auf; die Erniedrigung brannte wie eine glühende Kohle in ihm. Es war schon so lange her, aber es besaß noch immer die Kraft, ihm wehzutun.
    »Gair?«
    »Ich bin unbesonnen gewesen.« Es kam
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