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Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1

Titel: Die Lieder der Erde - Cooper, E: Lieder der Erde - Songs of the Earth 1
Autoren: Elspeth Cooper
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Leinentunika, die er hinter der Tür gefunden hatte, wieder das andere Zimmer betrat, saß Alderan am Tisch vor einem großen Tablett, das mit einer Serviette abgedeckt war. Er schaute auf, als sich Gair setzte. »Fühlst du dich jetzt besser?«
    Gair nickte. Es war nicht leicht gewesen, sich mit einem neuen Messer und nur einer gesunden Hand zu rasieren. Gesicht und Hals waren nun so rosig wie die eines Knaben.
    Alderan schob das Tablett über den Tisch. »Du bist bestimmt hungrig«, sagte er und nahm das Tuch weg. »Du siehst aus, als könntest du ein paar Pfund zulegen.«
    Schweinefleischpasteten türmten sich auf einem Teller. Daneben warteten frisches Brot und ein irdener Topf mit Butter sowie Bratfleisch, Essiggurken und eine Schale mit Früchten. Ein Krug mit kalter Milch, an dem Wasser herabperlte, stand bereit, um all das herunterzuspülen. Gairs Magen knurrte. Seine linke Hand beschrieb das Zeichen des Segens, bevor er bemerkte, was er da tat; er sprach das Dankgebet an die Göttin für diese Gaben und legte die Hand in den Schoß, außer Sicht. »Die Macht der Gewohnheit«, sagte er.
    »Wenn ich das durchgemacht hätte, was du erlebt hast, würde ich ebenfalls für eine Bratenscheibe danken«, sagte Alderan und viertelte gelassen einen Apfel. »Aber iss langsam, sonst wird dir übel. Ich nehme an, du bist in der letzten Zeit nicht allzu gut ernährt worden?«
    »Ich habe immer dann Wasser und etwas zu essen bekommen, wenn sich meine Wächter gerade daran erinnert haben. Und beides war nie besonders frisch.« Er biss in eine Pastete. Der goldene Teig schmolz auf seiner Zunge. Wunderbar. Nichts in der Banketthalle des Kaisers hätte besser schmecken können.
    »Wie lange haben sie dich gefangen gehalten?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich bin im Frühling verhaftet worden, am Tag des heiligen Saren. Welchen Tag haben wir heute? Ich habe den Überblick verloren.«
    »Den vierten nach Mittsommer.«
    Gair hörte auf zu kauen. Etwas mehr als drei Monate. Hundert Tage – eine Ewigkeit in jenem Eisenraum. Vorbei. Er schluckte schwer.
    Alderan beobachtete ihn und bewegte dabei sein Messer in der Hand hin und her. »Für gewöhnlich dauert es nicht so lange, bis die Kurie zu einer Entscheidung gelangt. Du musst sie vor große Schwierigkeiten gestellt haben.«
    »Vermutlich.« Die Frage lag auf der Hand, aber Alderan stellte sie nicht. Gair spülte die Pastete mit einem Glas Milch hinunter und nahm sich die Zeit, noch ein zweites zu trinken. Dann bediente er sich von dem gebratenen Fleisch und rollte die Scheibe mit den Fingern zusammen. Sie war noch warm und tropfte vor Bratensaft. Er griff nach einer weiteren Scheibe.
    »Wie lange warst du in der Lage, die Musik zu hören?«
    »Welche Musik?« Er wusste es .
    »Es wurde in der Stadt das Gerücht verbreitet, dass die Ritter heute einen Hexer aburteilen. Und nur eine einzige Person wurde wie ein alter Teppich aus dem Verrätertor geworfen.« Alderan steckte sich ein Apfelstück in den Mund. »Wie lange bist du bereits in der Lage, die Musik zu hören?«, fragte er und kaute dabei.
    »Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
    Ein weiteres Apfelstück folgte dem ersten. »Normalerweise beginnt es im Alter von zehn oder elf Jahren, oder etwas früher oder später, aber dem gehen gewisse Zeichen voraus. Ungefähr zu der Zeit, wenn ein Junge in den Stimmbruch kommt und auf seinen Armen und Beinen die Haare wie Unkraut nach dem Regen sprießen, wird es sehr viel stärker. Dann lernt er ein wenig, den Sang zu benutzen. Zuerst sind es kleine Dinge wie das Anzünden von Kerzen, aber die Macht wächst mit ihm, und am Ende muss er lernen, sie zu kontrollieren, bevor sie ihn kontrolliert.« Alderan nahm ein drittes Stück Frucht und lächelte über den Tisch hinweg. »Liege ich bisher richtig?«
    Er wusste es. Gair hatte keine Ahnung, wie das sein konnte und wer dieser Mann war, aber er hatte die Ereignisse so genau beschrieben, als hätte er sie in einem Buch gelesen. Gair legte die gesunde Hand auf den Tisch und drückte sie fest gegen das polierte Holz, als ob er sonst vom Stuhl sacken würde. Der Raum hatte sich gedreht, und Gair wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war. »Ziemlich richtig. Woher wisst Ihr das alles?«
    »Es läuft immer auf die gleiche Weise ab, mehr oder weniger. Ich habe schon andere wie dich gesehen, und ihre Geschichten unterscheiden sich nur in unbedeutenden Einzelheiten voneinander. Warum sagst du mir nicht einfach, was passiert ist?«
    »Ihr scheint das
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