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Die Liebeslotterie

Die Liebeslotterie

Titel: Die Liebeslotterie
Autoren: Andrew Nicoll
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Meer, die Wellen und die fernen Segelschiffe zu beobachten. Um acht, als sich über dem Horizont dunkle Wolken zusammenbrauten, bat er Frau Leshmic um ein wenig Proviant für den nächtlichen Angelausflug und ging hinaus, um «etwas frische Luft zu schnappen».
    Der Hinterhof war leer. Agathe im Taxi hatte schlechteLaune und war zu Tode gelangweilt. «Ich habe erkannt, dass ein Hund zu sein so ähnlich ist, als wäre man wieder klein. Ständig muss man auf die Erwachsenen warten, und man muss tun, was sie sagen.»
    «Aber ich dachte, du hättest dir genau das gewünscht. Ich dachte, du wolltest bei mir leben, damit ich mich um dich kümmern kann.»
    «Aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt», sagte sie. «Den ganzen Tag schon sitze ich hier fest. Wie lange noch?»
    «Nur noch eine Stunde», versprach Tibo. «Nur noch ein kleines bisschen.» Er nahm ihr Bündel und lief am Gasthaus vorbei in die Dünen, bis er das Ende der Insel erreicht hatte und vom Hotel aus nicht mehr zu sehen war.
    «Die brauche ich nicht mehr», hatte Agathe gesagt.
    «Aber wir können die Sachen nicht hierlassen, damit irgendwer sie findet. Wir müssen sie mitnehmen.»
    Tibo stand am äußersten Zipfel der Insel, er hatte Agathes Bündel zu seinen Füßen im Gestrüpp versteckt und schaute übers Meer. Er konnte nichts erkennen, nicht einmal der Schein von Dots Straßenbeleuchtung war in der Finsternis zu sehen.
    Die Zeit war bald gekommen. Tibo ging langsam zum Gasthaus zurück und legte eine doppelte Kleiderschicht an. «Die Nacht ist ideal zum Angeln», erklärte er Frau Leshmic.
    Sie reichte ihm eine blaue Emailledose, der Dose nicht unähnlich, die Agathe in der Schlossstraße gekauft hatte, und dazu zwei Flaschen Bier.
    «Rudern Sie einfach den Strand entlang bis an die Inselspitze, Herr Krovic, das wäre mein Vorschlag. Da holen die Jungs immer die dicksten Fische aus dem Wasser. Das Boot ist an unserem kleinen Anleger festgemacht. Brauchen Sie Hilfe?»
    Tibo lehnte bescheiden ab und wünschte lächelnd eine gute Nacht. Er trat auf ein filigranes Sandmuster am Boden, zog die Tür hinter sich zu und lief zur Scheune, um Agathe zu holen.
    «Nun musst du wieder laufen, mein Liebling», sagte er. «Immer auf die Dünen zu, und dann treffen wir uns am Ende der Insel.»
    Tibo drückte ihr einen letzten Kuss auf die Nase und schaute ihr nach, als sie auf die schützenden Dünen zustob. Dann legte er sich die Decken um den Hals und stieg die Stufen zum Anleger hinunter.
    Von dem kleinen Holzpier wegzukommen war harte Arbeit. Tibo war kein Ruderer, und ihm graute vor der Nacht auf hoher See. Seine Nervosität war ihm anzumerken. Das Boot schwankte und dümpelte, als er den Platz in der Mitte einnahm und sich mühte, die Ruder auf die Dollen zu legen. Hinter den Fensterscheiben des Gasthauses hingen dunkle Gesichter. Tibo versuchte, seine Todesangst zu verbergen, und ruderte davon.
    Er benötigte ein halbes Dutzend halbherziger Schläge, um die kleine Bucht vor dem Hotel zur Königin Cate zu verlassen, aber sobald er die Felsen hinter sich gelassen hatte, trieb ihn der Wind auf die Inselspitze zu, in die Richtung von Agathe und, darüber hinaus, in die Richtung von Virgule. Als er das Kap erreicht hatte, steuerte Tibo das Boot auf den Strand zu. Er pfiff «The Boy I Love» und paddelte schaukelnd herum, dann vernahm er Agathes Heulen und sah sie in der Dunkelheit als hellen Fleck zwischen den Gräsern herumspringen.
    Tibo ruderte angestrengt, bis der Bootskiel auf Grund stieß. Ein Beben und Knacken lief durchs Holz, und Tibo sprang aus dem Boot.
    Agathe kam ihm durch die Wellen entgegengeplatscht. «Ich bin hier! Ich bin hier!», rief sie.
    «Ja, mein Liebling, das sehe ich. Was für ein schlaues Mädchen du bist. Nun steig ein. Ich muss deine Kleider suchen.»
    Tibo suchte eine Weile in den Büschen herum, tigerte am Strand auf und ab und zerkratzte sich die Hände in den Brombeeren, ohne Agathes Bündel zu finden, bis sie plötzlich ungebeten neben ihm auftauchte und auf einen Busch zeigte. «Also wirklich», sagte sie, «du stehst direkt davor. Typisch Mann.»
    Sie liefen zum Boot zurück, und Tibo wickelte sie in Decken und fütterte sie mit den Broten aus Frau Leshmics Dose, bis die Sterne zu leuchten anfingen.
    «Weißt du den Weg, Tibo?»
    «So ungefähr», sagte er.
    «Meinst du, du kannst ihn finden?»
    «So ungefähr.»
    «Wir haben keine Chance, oder?»
    «Wir hatten nie eine Chance, Agathe. Eine bessere als diese bekommen wir
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