Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung
Autoren: Jeffrey Eugenides
Vom Netzwerk:
einem milderen Ton. «Wir sind uns einig, dass wir uns darüber uneinig sind. Es gibt eine andere Alternative, die etwas eindeutiger ist. Nimm einmal an, du und Leonard, ihr versöhnt euch nicht. Nimm’s bloß mal an. Ich habe mir die Freiheit genommen, mit Roger Pyle zu sprechen   –»
    «Du hast es ihm
erzählt
?», schrie Madeleine.
    «Im Vertrauen», sagte Alton. «Und nach Rogers professionellem Dafürhalten ist es so, dass in einer Situation, wo eine Seite jeden Kontakt verweigert, die beste Vorgehensweise eine Annullierung ist.»
    Er hielt inne. Lehnte sich zurück. Das Wort war gefallen. Es schien, als wäre es Altons Hauptanliegen gewesen, es auszusprechen, und als wäre er nun, da er es ausgesprochen hatte, vorübergehend ratlos. Madeleine blickte finster.
    «Eine Annullierung ist erheblich einfacher als eine Scheidung», fuhr Alton fort. «Aus vielen Gründen. Es bedeutet eine Aufhebung der Ehe. Es ist, als hätte es die Ehe nie gegeben. Bei einer Annullierung wirst du nicht geschieden. Es ist, als wärst du nie verheiratet gewesen. Und das Beste ist, man braucht nicht beide Seiten, um eine Annullierung zu erreichen. Roger hat sich auch die Gesetze in Massachusetts angesehen, und dabei hat sich herausgestellt, dass Annullierungen aus folgenden Gründen gewährt werden.» Er zählte sie an den Fingern ab. «Erstens: Bigamie. Zweitens: Impotenz des Mannes. Drittens: Geisteskrankheit.»
    Hier verstummte er. Die Grillen schienen lauter zu zirpen, und über dem dunklen Garten begannen, als wäre dies ein wunderbarer Sommerabend, wie im Märchen Leuchtkäfer zu blinken.
    Die Stille wurde durch das Klirren von Madeleines Weinglas, das auf der Veranda zerbarst, durchbrochen. Madeleine sprang auf. «Ich gehe rein!»
    «Maddy, wir müssen das besprechen.»
    «Alles, was dir einfällt, wenn ein Problem auftaucht, ist, mit deinem Anwalt zu reden!»
    «Ich bin jedenfalls froh, dass ich Roger wegen dieses Ehevertrags angerufen habe, den du nicht unterschreiben wolltest», sagte Alton unklugerweise.
    «Genau!», sagte Madeleine. «Gott sei Dank habe ich kein Geld verloren! Mein ganzes Leben ist ruiniert, aber wenigstens habe ich nichts von meinem Kapital verloren! Das hier ist keine Vorstandssitzung, Daddy. Das ist mein Leben!» Und damit floh sie in ihr Zimmer.
    Die nächsten drei Tage weigerte Madeleine sich, mit ihren Eltern zu essen. Sie kam selten nach unten. Das brachte Mitchell in eine peinliche Lage. Als einziger Unparteiischer im Haus war es an ihm, die Kommunikation zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten. Er fühlte sich wie Philip Habib, der Sondergesandte für den Nahen Osten, den er jeden Abend in den Nachrichten sah. Während er Alton beim Cocktail Gesellschaft leistete, schaute Mitchell zu, wie Habib sich mit Jassir Arafat, Hafiz al-Assad oder Ariel Sharon traf, wie er hin und her pendelte, wie er werbend, drängend, drohend, schmeichelnd Botschaften überbrachte und zu verhindern versuchte, dass ein richtiger Krieg ausbrach. Nach dem zweiten Gin Tonic sah Mitchell sich zu Vergleichen inspiriert. In ihrem Zimmer verbarrikadiert, war Madeleinewie eine in Beirut versteckte Splittergruppe der PLO, die ab und zu eine Bombe die Treppe hinunterschleuderte. Alton und Phyllida, die den Rest des Hauses bewohnten, waren wie die Israelis, unerbittlich und besser bewaffnet, und sie wollten ihr Protektorat über den Libanon ausdehnen und Madeleine die Entscheidungen abnehmen. Auf seinen Missionen in Madeleines Schlupfwinkel hörte Mitchell sich ihre Klagen an. Sie sagte, Alton und Phyllida hätten Leonard ohnehin nie gemocht. Sie hätten nicht gewollt, dass sie ihn heiratete. Nach seinem Zusammenbruch hätten sie ihn allerdings gut behandelt und das Wort
Scheidung
so lange nicht in den Mund genommen, bis Leonard ihnen zuvorkam. Aber jetzt spürte Madeleine, wie froh ihre Eltern insgeheim über Leonards Verschwinden waren, und dafür wollte sie sie bestrafen. Nachdem er so viele Informationen wie möglich über Madeleines Gefühle gesammelt hatte, ging Mitchell wieder nach unten, um mit Alton und Phyllida zu verhandeln. Er fand heraus, dass sie viel mehr Verständnis für Madeleines Zwangslage hatten, als Madeleine ihnen zutraute. Phyllida bewunderte ihre Loyalität zu Leonard, meinte aber, sie stehe auf verlorenem Posten. «Madeleine denkt, sie kann Leonard retten», sagte sie. «Aber die Wahrheit ist, dass er entweder nicht gerettet werden kann oder nicht gerettet werden will.» Alton setzte eine strenge Miene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher