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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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ihrer Haustür angekommen, sehe ich, wie ihr Vater die Koffer ins Auto lädt.
    Sie verlässt mich also wirklich, denke ich, so als ob es sich |310| bis jetzt um einen schlechten Scherz gehandelt hätte. Hier habe ich nun den eindeutigen Beweis dafür, dass sie tatsächlich abreist.
    Ginevra kommt runter und wir gehen kurz zum Steinbrunnen, unserem absoluten Lieblingsplatz. Unzählige Male hat uns dieser Brunnen schon bei unseren Gesprächen belauscht und dabei unser Lachen mit dem leisen Geplätscher seines frischen Wassers begleitet.
    »Also, du fährst   …«, sage ich und versuche, die Tränen zurückzuhalten. Ich zwinge mich sogar zu einem Lächeln.
    Ginevra soll mit einem guten Gefühl fahren und nicht die tomatenroten Augen ihrer besten Freundin in Erinnerung behalten.
    »Komm schon, erzähl mal, was wirst du dort alles machen?«, frage ich und versuche, möglichst fröhlich zu klingen.
    »Ähm   … ja, zur Schule gehen, wie hier, aber alles wird dann auf Englisch sein, das wird sicher sehr interessant   … und eine Menge Leute werde ich bestimmt auch kennenlernen.«
    Aus ihrem Tonfall werde ich nicht schlau. In ihm liegt ein Gemisch aus Neugier, Angst und Ungeduld.
    »Na dann viel Spaß, aber treib’s nicht zu wild«, sage ich und korrigiere mich gleich wieder: »Das war nur ein Witz! Ich wünsch dir eine gute Reise. Du sollst ’ne Menge Spaß haben und jede Minute dort genießen und vor allem superglücklich zurückkommen.«
    Sie lächelt und ich denke, dass das ungefähr das Beste war, |311| was ich ihr sagen konnte. Und dass es nicht mehr viel gibt, was ich noch hinzufügen könnte.
    »Danke, meine Süße.«
    »Wir werden uns jeden Tag hören, so als ob du nie abgereist wärst. Und   … «, füge ich hinzu und merke, wie mir die Augen brennen, »…   du wirst mir richtig fehlen.«
    Ein Schluchzer schüttelt mich, ein letztes Mal versuche ich noch, ihn zurückzuhalten, bevor ich hemmungslos in Tränen ausbreche.
    »Ich heule nicht!«, rufe ich, als ob das noch etwas bringen würde. Jetzt bekommt auch Ginevra feuchte Augen.
    »Ich weine nicht, ich schwör’s«, versuche ich unter Schluchzern zu sagen.
    »Dann ist dir sicher was ins Auge geflogen«, sagt Ginevra grinsend zwischen den Tränen, die ihr die langen Wimpern und die Wangen herunterlaufen.
    Was soll ich denn nur ohne sie machen? Was mache ich nur, wenn ich niemanden mehr zum Rumalbern habe?
    »Ich hab dich ganz doll lieb«, sage ich und drücke sie fest an mich.
    »Ich dich auch, ich mag dich so gern.«
    »Hab viel Spaß, vergiss den Blödsinn, den ich vorhin gesagt habe, du musst die Zeit in vollen Zügen genießen.«
    »Mir wird dein Blödsinn furchtbar fehlen.«
    »Ich schick ihn dir jeden Tag, wenn wir miteinander chatten, versprochen.«
    »Wirklich?«
    »Na klar.«
    |312| Ginevras Papa räuspert sich hinter uns.
    »Liebling, wir müssen los   …«, sagt er leise. Die Abreise seiner Tochter macht ihn auch sehr traurig. Mir steigen schon wieder die Tränen in die Augen und wir umarmen uns noch einmal.
    »Du bist so toll, du bist so stark, du schaffst alles, vergiss das nicht.«
    »Ich werd’s probieren   … und du, versuch mal, auch ohne unsere Chaosfahrten morgens rechtzeitig zur Schule zu kommen.«
    »Das wird schon klappen   …«
    Wir trennen uns.
    Ich bleibe stehen und schaue zu, wie sie ins Auto steigt, wie sie sich anschnallt und mit geröteten Augen durch das Seitenfenster winkt.
    Ich wedle wie blöd mit meiner Hand zurück, genauso wie ich mir das vorgestellt habe.
    Ich winke immer noch, während das Auto losfährt, in die Straße einbiegt und auch noch, als es hinter einer Kurve verschwindet und Ginevra mich längst nicht mehr sehen kann.
    »Mein Gott, du wirst mir so fehlen   …«, flüstere ich vor mich hin, ziehe den Rotz in der Nase hoch und wische mir das Gesicht ab.
    Ich schaue immer noch zum Brunnen und in die langsam untergehende Sonne.
    Wir hatten nicht mal mehr Zeit, uns beim letzten Sonnenstrahl etwas zu wünschen. Aber bis die Sonne endgültig verschwunden ist, wird es auch noch eine Weile dauern.

|313| IMMER LÄNGERE SCHATTEN
    Ich laufe heulend nach Hause. Ich fühle mich so leer, ich habe keine Gefühle mehr, meine Tränen haben alles weggespült.
    In meiner Tasche klingelt schon wieder mein Handy. Vielleicht ist es Ginevra, aber warum sollte sie mich anrufen?
    Natürlich ist sie es nicht. Die Nummer hier kenne ich überhaupt nicht. Ich habe eigentlich auch keine Lust dranzugehen, aber schließlich
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