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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag
Autoren: Erno Szep
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Soireen sagte, ich könne kein Bridge und auch nicht tanzen, fassungslos an.
    »Aber ich bitte dich, wozu lebst du dann überhaupt?«
    Ich konnte ihm darauf nichts Besseres erwidern als die modische Wendung: Frag mich was Leichteres.
    Also bei jener Abendgesellschaft guckte ich gegen eins ins Zwielicht, wo die Paare tanzten. Ich setzte mich, um den Tänzern zuzusehen. Das Grammofon jaulte, ein wenig gedämpft, irgendeinen Tango, den ich schon vom Film kannte. Es brannte kein Licht in dem Raum, aus dem anderen Zimmer, in dem Bridge gespielt wurde, drang so viel Helligkeit herein, dass man hier darauf verzichten konnte. Auch jene Dame tanzte mit Ichweißnichtwem. Der Ichweißnichtwer hielt beim Tanzen den Kopf so tief geneigt, als wäre er ein Boxer. Die Frau gewahrte mich und nickte mir zu. Beim Abendessen hatte sie ziemlich weit von mir entfernt gesessen, ich blickte einige Male in ihre Richtung, wusste nicht, ob ich sie kenne. Doch, ich kenne sie. Sie schaut wieder zu mir herüber und lächelt. Sie lächelt, so oft ihr Gesicht bei einer Tangodrehung in meine Richtung weist. Der Boxer redet pausenlos, die Frau hört vielleicht auch nicht, was er sagt. Ein anderes Paar kreist in einem fort neben ihnen, dort plappert die Frau, ihren Kopf dem hoch aufgeschossenen Partner unters Kinn geschoben, ohne Unterlass, während er keine Silbe von sich gibt, doch presst er die Dame hartnäckig gegen seinen Bauch. Meine Dame hat schöne Hände. Sie leuchten richtig auf der Schulter des Smokings. Auch ihr Rücken ist wohlgeformt. Von den Beinen kann ich nichts sehen, nur die vergoldeten Schühchen leuchten von Zeit zu Zeit etwas blässlich auf.
    Diese Herren, alle sechs oder sieben Herren, die hier eifrig das Parkett bohnern, wie sehr ich sie bewundere! Dass sieden Damen nicht in die entblößten Schultern beißen, dass sie nicht aufschreien wie brünstige Tiere, nicht gleich die ganze Frau packen und mit ihr ins Schlafzimmer stürzen. Welche Selbstdisziplin, die sie sich bei diesem schummrigen Licht auferlegen! Bei derart gedämpfter Beleuchtung habe ich selbst in sehr gepflegten Häusern schon höchst wagemutige kleine Annäherungen erlebt, auf Kanapees oder Teppichen hingekauerte Paare, oft nur Zentimeter von den Ehegatten entfernt, die inzwischen auf denselben Kanapees oder Teppichen mit irgendwelchen anderen fremden Frauen ihr Glück versuchten. Mir hat der Atem gestockt ob der Raffinesse ihrer Lippen und Hände, die ich sah. Ich selbst hätte niemals gewagt, mich in einem herrschaftlichen Haus so sehr daheim zu fühlen.
    Der Tango ist eingeschlafen.
    Die Paare sind wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt, mit leisem Kichern, einer der Tänzer summte weiter den Tango und zerrte seine Partnerin immer noch im Rhythmus hinter sich her. Die anderen gingen in die Ecke und machten sich an dem Grammofon zu schaffen. Die Dame ließ ihren Boxer plötzlich stehen und kam auf mich zu. Sie schubste ein Sitzkissen neben mich und ließ sich fallen.
    »Guten Abend. Sie hat man lange nicht gesehen.«
    Hatten wir schon einmal miteinander geredet? Mir schien, ich hörte ihre Stimme zum ersten Mal.
    Ich bat sie augenblicklich, mich nicht auf die Folter zu spannen und meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    Ja, nett, dass sie sich an mich erinnert.
    Ihre Hand, so möchte ich sagen, hatte einen sehr angenehmen Geschmack. Beim Handkuss habe ich ein wenig von ihrem Parfum inhaliert. Es sind nur Bruchteile einer Sekunde, in denen der Mann die Hand einer Frau kennenlernt, ihre Textur, ihre Wärme, den Duft, ihr Benehmen, ihre Willfährigkeit, den Instinkt, die ganze Botschaft. Nach manchemHandkuss meines Lebens habe ich das Gefühl gehabt, ich hätte den Mund dieser Frau geküsst.
    Sie begann damit, dass sie dieser Tage einen Artikel von mir gelesen habe, in einem gewissen Wochenblatt, das eher Frauen interessiert.
    »Ich mag sie sehr«, sagte sie. Nämlich meine Artikel.
    Ich fragte sie auf der Stelle, welches Parfum sie benutzt.
    »Les 5Fleurs. Kennen Sie es?«
    Jetzt ja, und ich bin erfreut, dass ich es kennenlernen durfte.
    »Gefällt es Ihnen?«
    Ich mag es. Welche fünf Blumen sind das, aus denen es gewonnen wird?
    Ich bitte sie um ihre Hand, um daran zu wittern.
    Als ob ich Maiglöckchen spürte und dann Hyazinthen, wahrscheinlich enthält der frische, zarte Duft auch etwas von Rosen und Veilchen.
    Zu einer endgültigen Entscheidung kommen wir nicht.
    Die Frau sagt, ihr fallen, wenn sie dieses Parfum riecht, als erstes Hyazinthen
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