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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag
Autoren: Erno Szep
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ins Capri gegangen sind und erst um fünf daheim waren.
    Und wie frisch sie klingt. Wie nonchalant sie mit mir ins Plaudern kommt,so als wären wir schon mindestens zehn Jahre in innigem Kontakt. Ich erwartete, dass sie vielleicht doch irgendwie zögernd, befangen, auch mit etwas Verwunderung zu mir spräche, natürlich, es gibt uns, uns beide, die wir unsletzte Nacht in die Augen geschaut haben und uns auf schönste Weise kennenlernen wollen.
    Es gibt hervorragende Telefonierer. Sie sind zum Telefonieren geboren wie andere zum Klavierspielen. Ich spiele nicht besonders gut auf diesem Instrument. Spreche ins Dunkel, ins Leere, verliere mich. Sage halbe Sätze, die nur ein Abglanz dessen sind, was ich sagen möchte. Kann diesem Gerät nicht überlassen, was doch dem Ohr, dem Auge zugedacht war. Habe diese meine Schwäche auch gleich der Dame gestanden.
    »Also«, sagt sie, »ich wiederum habe eine Frau klagen hören, sie könne am Telefon nicht lügen. Und wissen Sie, warum nicht? Weil sie gewohnt ist, denjenigen, die sie belügt, in die Augen zu schauen.«
    Sehr gut, sagte ich, und wir lachten beide. Die Dame lacht gern. Auch in jener Nacht hat sie viel gelacht. Ihre Stimme war stets zum Lachen bereit. Wohlerzogen, angenehm ist in der Unterhaltung diese bebende Bereitschaft zu lachen.
    Sie telefoniert vom Bett aus, mit der Linken streichelt sie den Rücken von Peggy, ihrem süßen King Charles. Die Nurse hat das Kind in die Privatschule gebracht. In einer Viertelstunde kommt die Masseuse. Danach wird sie ein wenig lesen, weil man nach der Massage ruhen soll.
    Und anschließend kam auch noch ein wenig Poesie:
    »Die Sonne scheint an diesem Vormittag ganz besonders strahlend, oder empfinde nur ich sie als strahlend, weil ich mich gerade so außerordentlich wohlfühle? Ich bin früher aus dem Bad gestiegen, um Sie anzurufen. Denn Plaudern mag ich nicht vor dem Bad, erst wenn ich wieder in mein Bett zurückgeschlüpft bin. Habe ich Sie nicht gestört? Was machen Sie gerade?«
    Gerade? Ich stehe am Meer und warte auf ein prächtiges Segelschiff, das mir ein Geschenk bringen soll, ein Gewürz von jener unbekannten Insel. Ich stehe auf der äußerstenKante eines Sprungbretts, auf Zehenspitzen, presse die Handflächen vor dem Bauch zusammen. Hole tief Luft und will vor Entzücken soeben einen Kopfsprung machen ins Glück. Ich habe mir ein Lotterielos gekauft und warte jetzt auf die Ziehung, auf meinen Glückstreffer.
    Kein Sterbenswörtchen habe ich von all dem gesagt.
    Nur, dass ich mich sehr wohl gestört fühle, Freude stört einen Menschen immer. Dass ich sie schon sehr lange nicht gesehen habe. Und wann wir uns sehen wollen.
    »Ja, wann? Warten Sie.« Sie muss ihr Wochenprogramm überfliegen. »Warten Sie. Heute ist Mittwoch; am Freitag, übermorgen.« Gegen fünf wird sie Zeit haben. Wo wir uns treffen wollen? Ob ich nicht zu ihr kommen möchte? Zum Tee. Sie wird allein sein, natürlich.
    Zu ihnen hoch? Nein, das möchte ich nicht. Ich habe mir vorgestellt, dass wir in einer hübschen Gegend spazierengehen, dort wo einem die wenigsten Artgenossen begegnen.
    »Gut, ich überlasse es Ihnen. Wo hätten Sie es denn gern?«
    Wir trafen uns am Freitagnachmittag mitten auf der Kettenbrücke. Schlenderten die Serpentinen hinauf bis unter die Festungsbastionen der Burg und promenierten dort entlang zur Fischerbastei. Enge, rutschige Wege schlängeln sich dort unterhalb der Burgmauer, manchmal muss man sich gegenseitig an den Händen festhalten. Kleine Gässchen sind da entstanden. Mit ein bisschen Glück kann man sich hier verlaufen. Wie schön, wenn man für ein paar Minuten verloren geht, wie wenn man im Wald den Weg nicht mehr weiß. Allerorten kündigte sich der Frühling an, zwischen den blassen Ruten der Sträucher hing noch das Laub vom Vorjahr fest, doch zeigten sich bereits Pusteln an der Rinde; mancher Busch trägt schon einen Schleier, Frühlingsschleier, sieht aus wie ein vermeintliches Vogelnest; übermorgen wird der gelbe, grüne Frühling, hopp, hopp, in die Spitzen der Sträucher hinaufflattern. Der Himmel ist blassblau, wie die Augen von Säuglingen,die Donau unten glitzert wie lauter Glassplitter, die Luft ist kühl und so herb und süß; noch vom letzten Jahr und von immer schon entsinne ich mich dieser Frühlingsluft, dieser Stille, wie sie nur die Nachmittage im beginnenden Frühling hervorzubringen vermögen; Verlegenheit liegt in dieser Stille, Warten und Träumerei. An einer Stelle blieben wir stehen, um
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