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Die Liebe am Nachmittag

Die Liebe am Nachmittag

Titel: Die Liebe am Nachmittag
Autoren: Erno Szep
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ein.
    Wer stellt das Destillat her?
    »Forvil.«
    Kenne ich nicht. Also auch so ein Parfumeur, der für sein Produkt keine weltweite Reklame macht. Es gibt in Paris Marken, die im Ausland für ebenso wenige Menschen ein Begriff sind wie manche ausgezeichneten Schriftsteller. Etwa ein Rallet, ein Lantheric oder Millet. Mich hat in Paris sehr überrascht, dass man solchen den Vorzug gibt vor Coty und Chanel.
    Die Dame besitzt auch ein Parfum de Millet, das Crêpe de Chine. Und gelegentlich verwendet sie eines von Milineux, nämlich Vivre.
    Kompliment.
    Und sie sagt, sie bevorzugt Eau de Toilette von Lanvin, esnennt sich Geranium d’Espagne. Mit seinem Duft eignet es sich durchaus auch als Tagesparfum, sagt sie.
    Denn es gibt natürlich ausgesprochene Tages- und Abendparfums, wie auch ganz unterschiedliche Lippenrouges für den Tag und den Abend.
    Von ihrem Crêpe de Chine aus dem Hause Millet etwa sagt sie, dass es nicht jede Frau verwenden kann. An einer blonden Freundin beispielsweise entwickle es eine geradezu störende Duftnote, sei ausgesprochen unangenehm. Das Crêpe de Chine harmoniert also nicht mit dieser Frau. Welch ein Mysterium!
    Ja, Parfum ist etwas Geheimnisvolles. Manche Kompositionen machen mich traurig. Es gibt Duftmischungen, die bei mir, wenn ich sie in die Nase bekomme, Todesahnungen hervorrufen.
    »Interessant«, sagt sie, »auch ich musste bei gewissen Düften manchmal an den Tod denken, mir war, als röche ich Chrysanthemen.«
    Sie lachte, gerade nur flüchtig, verhalten, wandte sich kurz ab und nahm die Tanzenden in Augenschein.
    Das Grammofon in der Ecke begann erneut zu heulen, als hätte man ein Hündchen hineingesperrt. Die Damen und Herren stampften gerade einen Quickstep. Der Boxer war verschwunden.
    Aus dem Nebenraum ließ sich kein Laut vernehmen, als hätte ein Hypnotiseur die Bridgepartie in Schlaf versenkt.
    Ich greife nach meinem Etui, um mir eine Zigarette zu drehen, betrachte dabei das Profil der Frau. Sie hat eine feine, schmale Nase, ich mustere auch die Einkerbung ihrer Nasenlöcher. Ein kleines Meisterwerk. Ihr Mund ist geöffnet, sie lächelt über die Verrenkungen einer der Tänzerinnen.
    Sie hat meinen Blick gespürt, ihre Wimpern zittern, sie wendet sich mir zu.
    Da ist etwas, auf das wir nicht gefasst waren. Beide habenwir das Wort Tod ausgesprochen. Zum ersten Mal im Leben sitzen wir nebeneinander und führen beim Reden schon den Tod im Mund, hatten den Tod im Blick, während wir uns ansahen. Es verfolgt mich geradezu, ich erinnere mich stets an den vorangegangenen Fall und den davor; immer wenn ich zum allerersten Mal mit einer Frau gesprochen habe, kam irgendwie die Rede auf den Tod. Eine dunkle Engelsschwinge schwebte über uns beiden, eine Minute lang oder während wir uns in dunkler Nacht fanden! Ist dies vielleicht eine Notwendigkeit, wenn ein Mann und eine Frau sich finden?
    Ich wollte sie von mir befreien. Möchten Sie nicht lieber weitertanzen? Lassen Sie mich ruhig hier sitzen. Doch ich wollte gar nicht, dass sie mich sitzen ließ. Eigentlich hatte ich sie noch gar nicht richtig angesehen.
    Nein, sie möchte nicht tanzen, bleibt lieber hier bei mir.
    Ich holte ihr Zigaretten.
    Beim Aufflammen des Zündholzes habe ich sie mir genauer angesehen. Ihr glänzendes Haar funkelte wie eine Messerklinge. Ihr Gesicht wirkte vor dieser Flamme wie von purem Weiß, nur der Mund war rot, als wäre er mit Blut bestrichen. Dunkelrot, feucht, wild und stumpf ist das Rouge. Brauen hat sie natürlich kaum, aber die wenigen, die sie hat, wirken sehr lebendig. Ihr Haar ist schwarz, sehr dunkel. Aber fein wie das von Aschblonden. Es gibt ein Schwarz, das verlockender sein kann als Blond. Und dies ist so ein Schwarz. Auch ihre Augen konnte ich noch erhaschen, vollkommen. Ich habe das Zündholz nicht ausgeblasen, sagte vielmehr: ich will Sie mir ansehen.
    »Bitte sehr.«
    Sie hob das Kinn und schloss die Augen.
    Könnten Sie sie nicht öffnen?
    Ihre Augen langsam öffnend,richtete sie den Blick auf mich. Wir sahen uns an, solange mein Streichholz noch glimmte. Sie hat blaue Augen. Ein Blau wie das von blauen Schwertlilien.Ihre Augen lächeln, feucht und gleißend, wie beim Erwachen und Einschlafen. Solche Augen kenne ich. Als ob sie in ihrem Leuchten verschwimmen wollten. Diese Augen gibt es auch in Braun. Träume schwimmen in solchen Augen herum. Als käme der Blick von ganz weit her, als suche er etwas, wolle aber nicht sagen was. Doch wenn dieser Blick eine Stimme wäre, könnte
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