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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger
Autoren: Elmar Bereuter
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gewesen, wenn nicht ein scharfsinniger Mann den Wahrsager durchschaut hätte. Er packte ihn plötzlich am Arm, riss ihn von der Grube weg und schüttelte aus dessen Ärmel alle möglichen toten Tiere. Später stellte sich heraus, dass die Mönche an gepanschtem Wirtshauswein zugrunde gegangen waren. Der Echternacher Abt war nun schon seit geraumer Zeit tot, aber es gab noch genügend Leute, die damals dabei waren und einstimmig bezeugten, der Mann mit den scharfen Augen sei Hovaeus gewesen.
    Für Binsfeld war klar, dass solche Betrügereien immer wieder vorkommen würden, aber man durfte diese Einzelfälle nicht aufbauschen und sollte nicht versuchen daraus abzuleiten, dass solche Vorkommnisse die Regel seien. Was er Hovaeus am wenigsten verzieh, war, dass dieser als katholischer Würdenträger ausgerechnet einem Lutheraner-Sympathisanten Munition lieferte. Sogar noch bedichtet hatte Hovaeus diesen Weyer:

    »Fahrt fort, mein Herr, mit dieser Kunst,
    Ihr werdt erlangen Ehr und Gunst.
    Wierus, Euer löblich Nam
    und gut Gerücht wird nie vergan!«

    Binsfeld empfand abgrundtiefe Abscheu und Verachtung bei dem Gedanken, dass ein rechtschaffener Christ Umgang mit einem Mann gehabt hatte, der ein Schüler des Agrippa von Nettesheim gewesen war, eines Ketzers, Alchimisten und Okkultisten, der die Hexerei zwar nicht leugnete, aber die im
    »Hexenhammer« vertretenen Ansichten als Phantastereien abgetan und behauptet hatte, Hexenmale gäbe es nicht, das seien lediglich Leberflecken und Muttermale! Das musste man sich einmal vorstellen! Im lothringischen Metz hatte dieser Agrippa eine angeklagte Zauberin freibekommen, aber wahrscheinlich nur, weil er dem Richter eine Krankheit angehext hatte und dieser vor seinem Tod schriftlich deren Freilassung verfügt hatte. Diese Ansicht vertrat jedenfalls der große, berühmte französische Staatstheoretiker und Jurist Jean Bodin. Bodin war auch der Auffassung, der schwarze Hund, der Agrippa stets begleitet hatte, sei der Höllengeist selbst gewesen und sein scheinbarer Herr in Wirklichkeit ein Hexenmeister. Der Rechtsgelehrte Martin Del Rio, der erst vor zwei Jahren in den Jesuitenorden eingetreten war, ging noch einen Schritt weiter und behauptete, Agrippa sei schlimmer gewesen als sein Zeitgenosse Doktor Faustus, der gewiss ein arger Zauberer und Schwindler gewesen war und um dessen Namen sich wüste Geschichten rankten. Aber hatte nicht auch dieser Doktor Faustus immer einen schwarzen Hund dabeigehabt? Agrippa war 1535 in Grenoble gestorben. Auf dem Totenbett, so erzählte man sich, habe er seinem Hund das mit Zaubersprüchen und Symbolen versehene Halsband abgenommen und zu ihm gesagt: »Hau nun ab, du verdammte Bestie, du hast mir nur Unglück gebracht!«, worauf sich das Tier in den nahen Fluss gestürzt und ersäuft habe.
    Weyer war inzwischen ein betagter Mann, wurde es aber nicht müde, den Anschuldigungen gegen seinen Lehrer zu widersprechen und seine eigenen Thesen zu verteidigen.
    Gerade war wieder ein Buch von ihm, »De lammiis«, erschienen. Die Übeltaten ließen sich auf natürliche Weise erklären, aber der Teufel mache die Hexen glauben, sie hätten diese vollbracht. Wenn Satan aber das bewerkstelligen könne, warum verübe er die Verbrechen dann nicht gleich selbst?
    Wozu brauche er denn noch die Weiber?, fragte Weyer darin in spöttischem Ton.
    Peter Binsfeld schreckte hoch, als sich mit einem leisen Quietschen die Tür einen Spalt breit öffnete. Im schwachen Schein erkannte er das Gesicht von Bartholomäus
    Bodeghemius.
    »Entschuldigt bitte, aber ich habe schon dreimal geklopft. Ich wollte mich vergewissern…«
    »Ist schon gut. Ich war in Gedanken ganz woanders. Tretet ein!« Binsfeld stellte erschrocken fest, dass er die ganze Zeit nur dagesessen, aber keine einzige Zeile zu Papier gebracht hatte. Er tastete in der nur spärlich erhellten Ecke des Tisches nach dem feuchten Schwamm, wischte sorgfältig die eingetrocknete Tinte vom Federkiel und legte ihn dann beiseite.
    Bodeghemius war Offizial in Trier und vertrat damit als Gerichtsvikar den Bischof im Bereich der innerkirchlichen Gerichtsbarkeit. Aber er war auch so etwas wie ein Vertrauter des Weihbischofs. Freund wäre zu viel gesagt, denn Binsfeld ließ keinen Menschen nahe an sich herankommen, sondern war immer auf eine gewisse Distanz bedacht. Das hielt er schon seit seiner Jugend so und bis jetzt war er damit gut gefahren, da er auf diese Weise unangenehme Entscheidungen rein verstandesmäßig fällen
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