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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger
Autoren: Elmar Bereuter
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Sonst würde er sich ja mit ihr nicht so viel Mühe geben. Wenn sie den Braun nicht erwischen, will er in ein paar Tagen weitermachen!«
    Binsfeld öffnete eine Schublade und holte ein Geldstück hervor. »Haltet mich auf dem Laufenden!«, sagte er kurz, trat wieder an das dunkle Fenster und starrte erneut in die Finsternis, die ihm wie ein weites, düsteres Meer erschien, das auch die wenigen Lichter nicht erhellen konnten. Wo war die Zeit geblieben, als seine Seele noch hoch flog wie ein junger Adler und seine Gedanken noch die Bläue des Himmels stürmten? In der er nur die Helligkeit sah und ihm alles mit strahlendem Licht erfüllt schien? In der die Luft rein und klar war und nicht verpestet durch Lügen, Intrigen und Boshaftigkeit? Wann hatte er das alles verloren?
    Widerwillig drehte er sich um und nahm wieder hinter seinem Tisch Platz, auf dem neben dem Gerichtsprotokoll ein gewichtiges Buch lag. »Malleus maleficarum« stand auf dem Umschlag, »de Henrico Institoris et Jakobo Sprenger«.
    Geschrieben vor nunmehr beinahe einhundert Jahren, war es immer noch das universelle Werk zum Aufspüren, Überführen und Aburteilen von Hexen. Das Buch hatte nunmehr schon über zwanzig Auflagen erreicht und man fand es in jeder Bibliothek, sei es an einer Universität, in einem Gericht oder einer Kanzlei. Zwar gab es zwischenzeitlich eine Menge dämonologischer Literatur zu demselben Thema, aber der
    »Hexenhammer« zählte immer noch zu den fundiertesten und verbreitetsten Abhandlungen. Was Binsfeld daran störte, war der etwas wirre Aufbau und die unübersichtliche Gliederung in den einzelnen Bereichen, die sich zudem oftmals wiederholten.
    Darüber hinaus war er der Meinung, dass der »Hexenhammer«
    vielfach nicht weit genug ging und es dringend notwendig wäre, neuere Erkenntnisse und Umstände zu berücksichtigen.
    Er hatte daher vor längerem begonnen, alle ihm zugänglichen Akten über Hexereiprozesse anzufordern und zu studieren, gleichzeitig führte er eine weit reichende Korrespondenz mit vielen anerkannten Fachleuten in ganz Europa. Sie alle bestätigten ihm, dass er auf dem richtigen Weg war, und ermunterten ihn, mit seinem Werk fortzufahren, das er
    »Bekenntnisse der Zauberer und Hexen. Ob und wie viel denselben zu glauben sei« nennen würde.
    »Weyer«, knurrte er verächtlich und musste an Antonius Hovaeus denken, der in seinem Kopf untrennbar mit dem Namen Weyer verbunden war. Zwischen dem brabantischen Doktor und dem Benediktinerabt in Echternach hatte es eine rege Korrespondenz gegeben und der Lutheraner-Sympathisant und Quacksalber hatte stolz einen Auszug aus einem der Briefe Hovaeus’ in seiner Neuauflage »Vom Blendwerk der
    Dämonen« abdrucken lassen.
    Binsfeld beugte sich hinunter zu einem Haufen Bücher, die sich seitlich seines Tisches am Boden stapelten, und zog mit spitzen Fingern eines davon heraus. Nach kurzem Blättern fand er die Stelle.
    »Es ist ein Werk, das nach meinem Erachten deinen Namen mit unsterblichem Ruhm in die Nachwelt tragen wird und Kleve mag sich glücklich preisen, so bedeutende Literaten zu haben«, stand da und weiter hieß es: »Hat es unserem gemeinen Nutzen nicht mehr Schaden zugefügt, dass man dem Teufel und seinen Geistern mehr glaubt, als man Christus, dem eingeborenen Sohn Gottes, Glauben geschenkt hat und nachgefolgt ist?«
    Unterzeichnet war das Ganze mit A. H. H. A. E.
    Offensichtlich hatte der Verfasser seinen Namen verbergen wollen, aber es war nicht allzu schwierig gewesen, herauszubekommen, was die Abkürzung bedeutete, nämlich nichts anderes als Antonius Hovaeus Haecmundanus Abbas Echternacensis.
    Anton von Hove, der sich Hovaeus nannte, soll ein Mann von gewaltigem Körperbau, mit messerscharfem Verstand und hoher Gelehrsamkeit gewesen sein. Von seinem Vorgänger Godefroi d’Apremont hatte er eine unglaublich verlotterte Abtei übernommen. Unter dessen Amtszeit waren alle Mönche bis auf einen einzigen innerhalb eines Jahres verstorben. Ein Wahrsager hatte d’Apremont daraufhin eingeredet, dahinter stecke Hexerei, und eine alte, arme Frau benannt, die man sofort festsetzen ließ. Er behauptete steif und fest, unter den Stufen zum Chor, also dort, wo die Mönche meistens standen, seien Zaubermittel vergraben und er sei bereit, dies zu beweisen. Am nächsten Tag wurde unter dem Chor gegraben, wobei sich der Hellseher selbst eifrig zu schaffen machte. Es fanden sich tote Frösche, Schnecken und Eidechsen, und das Leben der Frau wäre verwirkt
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