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Die Lichtfaenger

Die Lichtfaenger

Titel: Die Lichtfaenger
Autoren: Elmar Bereuter
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durch zwei neue, die er aus einem kleinen Schrank an der Längswand holte.
    »Weswegen wolltet Ihr mich eigentlich sprechen?«, fragte er dann unvermittelt.
    Bartholomäus Bodeghemius lächelte gequält. »Es liegen einige Dinge an, die das Domkapitel betreffen und keinen Aufschub dulden.« Als er Binsfelds Blick bemerkte, beeilte er sich zu versichern: »Nein, nein – es sind nur Kleinigkeiten!«
    Durch das halb geöffnete Fenster drang der monotone Singsang eines Nachtwächters, der die elfte Stunde ausrief.
    Bodeghemius schob seine Papiere zusammen, machte sich noch ein paar Notizen, während der Weihbischof nach einem Fackelträger rief.
    Obwohl Binsfeld todmüde war, nahm er noch die
    Prozessakten gegen die Braun zur Hand. Schon in der ersten Vernehmung hatten sieben Trierer Bürger gegen sie ausgesagt, später kamen noch die Äbtissin sowie die Priorin des Klosters Sankt Agnes dazu, die bezeugten, der Braun sei, während sie im Kloster Leintücher verkaufen wollte, in ihrer beider Gegenwart der Buhlteufel erschienen, worauf sie sich ganz sonderbar benommen und zuerst von einer Bußwallfahrt nach Eberhardsklausen, dann von Selbstmord und schließlich von Pilgerfahrten nach Sankt-Nicolas-de-Port und Santiago de Compostela zum Grab des heiligen Jakobus gesprochen habe.
    Vom Rat, sich bei den Jesuiten Beistand und Trost zu holen, habe sie aber nichts wissen wollen und sich sogar ein wenig abfällig über diese geäußert. Jedenfalls könne man es so auslegen, weil sie gesagt habe, die Jesuiten würden sie nicht viel bekümmern. Nach der fünften Tortur hatte Schultheiß Flade bei den Jesuiten um einen Beichtvater gebeten, der die Braun zur Wahrheit ermahnen sollte, aber selbst Pater Peraxibus war es nicht gelungen, sie umzustimmen. Daraufhin war sie noch zweimal peinlich befragt und beim letzten Mal wieder von Flade persönlich verhört worden, und zwar zwei Stunden unter großen Schmerzen, wie es hier im Protokoll vermerkt war, das vorläufig damit schloss, dass sie nicht bekennen wollte und zurück ins Gefängnis geführt worden sei.
    Peter Binsfeld spürte durchaus so etwas wie Mitleid mit diesem armen Weib, das sich offensichtlich so fest in den Netzen des Teufels verfangen hatte, dass es sich daraus nicht mehr lösen konnte. Im Gegensatz zum »Hexenhammer«, der auch die Hinrichtung Reuiger forderte, da ein Rückfall nicht auszuschließen wäre, vertrat der Weihbischof die Ansicht, eine rechtzeitige reumütige Umkehr rechtfertige unter bestimmten Umständen eine mildere Strafe. Aber im Fall Braun war dieser Zeitpunkt längst überschritten und den Richtern blieb keine andere Wahl, als auf »schuldig« zu plädieren. Binsfeld blieb noch einen Moment gedankenverloren sitzen, stand dann auf, löschte die Kerze und begab sich zur Ruhe.
    Nach der Morgenmesse im Dom suchte er am nächsten Tag John Gibbons auf. Gibbons war Rektor der Jesuiten, die 1560
    von Johann VI. nach Trier geholt worden waren und von den Franziskanern Kirche und Kloster übernommen hatten.
    Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit der lutherischen Minderheit im Rat, die mit einer kurzen Belagerung der Stadt und der Vertreibung der Rädelsführer endeten. In diese Zeit war der Aufstieg des Dietrich Flade gefallen, der sich als kurfürstlicher Rat dem
    Reformationsversuch entgegengestellt und den Erzbischof persönlich über die protestantischen Umtriebe informiert hatte.
    Peter Binsfeld und der Engländer John Gibbons kannten sich aus ihrer gemeinsamen Studienzeit in Rom, wo sie bald Übereinstimmungen in ihrem Denken und den sich daraus ergebenden Folgerungen festgestellt hatten.
    »Johann Zandt von Merl ist vom Kurfürsten zum neuen Statthalter bestimmt worden. Er übernimmt im Januar sicher kein leichtes Amt. Zwar hat sich die Stadt inzwischen, wenn auch widerstrebend, dem Kurfürsten unterworfen, aber die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Und die
    Judenvertreibung kommt nicht voran, da sich viele von ihnen weigern wegzuziehen, bevor die verarmten Bürger ihre Schulden beglichen haben!«
    »Ich weiß«, nickte Gibbons, »man vertröstet sie auf den Herbst in Erwartung einer endlich einmal guten Ernte. Aber das ist nur eines von vielen Problemen. Die Lutherischen…«
    »Ich hatte gestern noch ein langes Gespräch mit
    Bartholomäus Bodeghemius. Zandt von Merl hat sie ganz oben auf seiner Liste stehen. Es sind zwar nicht mehr allzu viele hier, aber jeder, der hier bleibt, ist einer zu viel. Bodeghemius hat da einen nicht
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