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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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mir eingeredet, ich könnte mich nicht um mein eigenes Kind kümmern!«, flüsterte Luzinde mit erstickter Stimme. »Du hast gesagt, ich wüsste gar nicht, wie man für Kinder sorgt.Wie ich es ernähren soll, wie aufziehen! Du hast gesagt, ich solle mich erst einmal um mein eigenes Seelenheil kümmern, bevor ich für ein kleines Seelchen Verantwortung trage!« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Und ich hatte Recht. Sieh dich doch an. Eine Bettlerin, eine Lügnerin und eine Hure! Der Herrgott hat mich zu deinem Kind geschickt, um es zu retten!«
    »Nun«, erwiderte Luzinde mühsam beherrscht. »Nun hat der Herrgott mich hierhergeführt, um das Kind zurückzuholen.«
    »Vielleicht hat dich auch der Teufel hergeführt!«, schnappte Elisabeth Stromer. »Dein Vater hat damals gewusst, was gut für deine Familie war. Und er hatte Recht.«
    »Was meinst du damit?«
    »Die Welsers haben ihm das Haus gegeben, in dem er wohnte.«
    »Warum hätten die Welsers das tun sollen?«
    »Sie hatten Angst, es würde ein Erbe werden, der Ärger machen kann.«
    »Das ist nicht wahr!«, stieß Luzinde erstickt aus. War es möglich, dass ihr Vater sie deswegen dazu gebracht hatte, das Kind fortzugeben? Wegen eines Hauses?

    Wenzel trat mit klingendem Kettenhemd vor. »Komm her, Nonne!« Als Elisabeth nicht gehorchen wollte, schritt er auf die Menge zu, die vor ihm ängstlich auseinanderwich. Dann zog er die eingeschüchterte Nonne am Stoff ihres Habits nach vorne.
    »Lasst sie los!«, befahl Mutter Agnes bebend, doch Wenzel schenkte ihr keine Aufmerksamkeit.
    »Ich bin Elisabeth Stromer!«, kreischte die Nonne. »Wenn ihr mir etwas tut, dann seid Ihr tot! Meine Familie jagt Euch bis in die Hölle!«
    Wenzel wandte sich ihr zu und funkelte sie an. »Dann rede schon, Weib!« Die Nonne begann bleich ein Gebet.
    »Lasst sie los!«, gellte eine zweite Männerstimme durch die Halle der Kirche. Luzinde fuhr herum. Dort stand Ulman Stromer.
    »Lasst sie los, Herr Wenzel. Und geht. Ihr habt noch niemandem etwas getan. Noch können wir Gnade walten lassen.«
    Der Ritter schnaubte verächtlich. »Was versteht ihr Stromers schon von Gnade?«
    »Wenzel«, bat Luzinde. Seine Wut machte sie nur ruhiger. »Ulman, wo ist mein Sohn?«, fragte sie leise.
    »Geh, Luzinde. Nimm dir ein Pferd, nimm diesen Beutel, aber geh und kehre niemals zurück.« Er hielt eine Börse hoch.
    Luzinde schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht ohne mein Kind.« Sie sah von Ulman zu Elisabeth hinüber. Die Gruppe der Frauen im Hintergrund war erstarrt vor Angst.
    Nur eine kleine Bewegung zog Luzindes Aufmerksamkeit auf eine Magd. Es war Margaret. Die hatte ein Mädchen an der Schulter gepackt und schob sie langsam hinter sich. Der Ausdruck in den Augen der spitzgesichtigen Magd erinnerte Luzinde an den Moment im Hof von Pillenreuth, als der kleine Thomas für den Diebstahl verurteilt worden war.

    »Du«, sagte Luzinde tonlos und deutete auf das Mädchen. »Komm her.« Das Kind erstarrte.
    »Geh nicht, Hanna«, zischte Margaret. »Die böse Frau will dir etwas antun.«
    »Nein«, beteuerte Luzinde. »Ich tu dir nichts. Komm her. Du heißt Hanna?«
    Die Kleine steckte den Kopf hinter Margarets Rock vor und nickte. Luzinde erkannte sie – es war das Mädchen, das ihr bei ihrem ersten Besuch in dem Klarissenkloster eine Schale Suppe gereicht hatte.
    »Ist das – ist das die Abkürzung für Johanna?«
    »Ja«, sprach das Mädchen. »Es heißt, dass Gott mir gnädig ist.«
    »Das heißt es«, entgegnete Luzinde bewegt. »Wie alt bist du?«
    »Fünf!«, sagte Johanna stolz und zeigte die fünf Finger ihrer kleinen Hand hoch.
    »Und zählen kannst du auch schon«, lächelte Luzinde.
    »Du rührst sie nicht an!«, zischte Elisabeth. »Dieses Kind ist dazu geboren, einmal Nonne zu werden – vielleicht gar Äbtissin!«
    Mutter Agnes mischte sich ein. »Elisabeth, stimmt, was diese Frau sagt? Dies ist ihre Tochter?«
    »Mutter Agnes, ich -«
    »Stimmt’s, was sie sagt?«
    Die Schwester senkte den Kopf. Dann nickte sie wütend.
    »Wieso dachtest du, es wäre ein Sohn?«, fragte Agnes nun Luzinde.
    »Man hat mir das Kind nie gezeigt«, flüsterte Luzinde. »Ich wusste nur, dass es nach dem heiligen Johannes benannt worden ist … Ich dachte, es wäre ein Junge.«
    Sie machte einen Schritt nach vorne, beinahe ehrfürchtig.
»Das ist mein Kind?« Das kleine Mädchen schaute ihr verwirrt entgegen. Das blonde lange Haar lockte sich an den Spitzen so fein, die großen Augen
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