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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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dass man den Widerschein der Flammen trotz des hellen Sonnenlichtes sah. Die Söldner mussten Lampenöl hineingeworfen haben.
    Auf dem Gesicht des Schneiders breitete sich ein erleichtertes, grausames Grinsen aus. »Jetzt haben wir gewonnen.«
    »Siehst du das nicht?«, wiederholte Caspar verzweifelt. »Sie haben die Judenschule verbarrikadiert. Von außen! Weißt du, was das heißt? Sie werden sie bei lebendigem Leibe verbrennen!«
    Die kalte Brutalität der Kriegsleute erschütterte Caspar tief. Sie brachte ihn ins Grübeln. Sein eigener Hass, sein Schmerz, waren echt. Doch diese Leute waren angeworben worden. Und Romer war von seinem Urteil befreit worden. War dies dieselbe Hand gewesen, aus der der Schneider sein Gold erhalten hatte? Hatte jemand sie in dieses Unheil gesteuert? Warum hatte Caspar nicht früher erkannt, dass man ihn benutzt hatte?
    Mit einem Mal konnte er keinen Zorn mehr wegen Cristeins Tod empfinden. Die Juden starben nicht, weil sie Verbrechen begangen hatten. Oder aus Glaubensgründen. Sie starben des Geldes wegen. Und das wollte Caspar nicht mit ansehen. Der Krämer wollte schon loslaufen, hin zu dem brennenden Steinbau, doch Romer hielt ihn zurück.
    »Caspar, denk nach! Das da ist Söldnersvolk! Mit dem willst du dich nicht anlegen!« Der Schneider zerrte ihn am Arm weg, zurück zur Hauswand. »Lass sie die Judenschule niederbrennen. Es ist Wahnsinn, sich dazwischenzuwerfen!«
    Die Flammen schlugen im Innern nun schnell höher, und man hörte panische Schreie. »Romer!«, schrie Caspar nun und riss sich los. »Siehst du das denn nicht!« Er deutete auf die oberen
Fenster des Gebäudes. Dort oben hatten sich Menschen gesammelt.Vorne in den Fensteröffnungen standen Leute und winkten, während an einer Stelle der Dachgauben gerade mühsam die Ziegel heruntergestoßen wurden, um einen zusätzlichen Ausgang zu schaffen.
    »Ja und? Haben sie was anderes verdient?«, fauchte Romer wütend. »Diese Bastarde sollen leiden!« Dann sprang er Nathan hinterher, der sich umgedreht hatte und versuchte, auf allen vieren davonzukriechen. »Du bleibst hier! Ich bin noch nicht fertig mit dir!« Romer zückte sein Messer und warf den Alten herum. »Dank deiner ist mein alter Vater gesprungen, weißt du das? Wir konnten nicht zahlen, und du hast die Werkstatt genommen, und alles war fort!« Der Schneider zitterte vor Wut. »Alles, für das er sein Leben lang gearbeitet hat, war weg! Er hat sich lieber umgebracht, als in Schande und Armut zu leben!«
    »De warst selbst nit so schlau, sonst werst’e nit mer hier«, keuchte der Geldverleiher und presste seine Hände auf eine blutende Wunde.
    »Halt dein verdammtes Maul!«, befahl Romer. Er griff sich ein Handgelenk und verdrehte es, so dass der Mann aufschrie.
    »Niemand hat dich und deinen Foter farzwungen, mein Geld ze nemen, Blutsauger!«, ächzte der Mann.
    Caspar sah fassungslos zu, wie Romer den Arm Nathans auf den Boden presste, den Stiefel darauf stellte und das Messer so griff, dass er mit ganzer Kraft zustoßen konnte. »Du hast gut reden«, keuchte er dabei. »Du hast das Geld, du kannst verlangen, was du willst. Wenn man verzweifelt ist, dann kann man nicht nachrechnen! Dann nimmt man alles, was man kriegt! Und deinetwegen ist mein Vater zur Hölle gefahren!«
    »Aber des Geld, des hast gewollt.’s ist also eher dein eigene Schuld, dass dein Foter schmort!«

    Aus Romers Brust brach ein Wutschrei hervor. Sein Körper spannte sich, um das Messer mit der ganzen Wucht herunterzustoßen, zu der er fähig war.
    Caspars Schlag traf den Schneider unerwartet in den Rücken. Der Mann flog vorwärts, über den am Boden Liegenden hinweg und gegen eine Häuserwand.
    »Du Bestie!«, stieß der kräftige Krämer aus. »Du brutale Bestie! Nicht auszudenken, dass ich auf deine Lügen gehört habe. Du bist feige und erbärmlich, nichts anderes! Deine Schuld zerfrisst dir die Seele, und darum musst du alles um dich herum mit Schmerz und Leid überziehen!«
    Romer aber grinste. Als Caspar seinem Blick folgte, sah er die brennende Judenschule. Der Anblick lähmte den Krämer von Entsetzen. Die Juden in den oberen Stockwerken schrien und flehten aus Angst um ihr Leben. Dann sprangen die Ersten. Ihre Körper schlugen dumpf auf dem Boden auf.
    »Wir haben gewonnen!«, kreischte Romer. Gerade sprang eine Frau auf der Flucht vor den Flammen mit wehenden Röcken in die Tiefe. In den Armen hielt sie ein Bündel. »Wir haben gewonnen! Wir brennen sie aus, mit Stumpf und
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