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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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Stiel!«
    Der Schneider rappelte sich wieder auf. Er griff nach dem Messer und ging hinüber zu Nathan. »Sag dem Teufel einen Gruß von mir!«, keuchte er. Dann holte er aus.
    Der zweite Schlag Caspars traf Romer direkt auf die Brust. Der Knüppel, den der Krämer mit aller Kraft niedersausen ließ, presste dem Schneider sämtliche Luft aus den Lungen und ließ mehrere Rippen knacken. Er taumelte zurück, mitten auf die Straße und hielt sich nur noch kurz auf den Beinen.
    Caspar setzte nicht nach. Romer bewegte die Lippen, als wolle er sprechen. Doch er rang erst einmal verzweifelt nach Luft. »Caspar«, presste er im Flüsterton heraus. Doch der Krämer
hörte ihm nicht zu. Stattdessen wies er auf Romer. »Ich habe noch einen!«, rief Caspar laut. »Das ist einer der Anführer der Juden!«
    »Caspar!«, krächzte der Schneider, denn auf den Ruf hin drehten sich gleich eine Handvoll der Söldner grimmig lächelnd um und hoben ihre Klingen.
    Caspar sah nicht zu, wie Romer davonkroch. Er hatte genug Blut für ein Leben gesehen. Er hörte nur das Knacken, als einer der Söldner mit seinem Streithammer die Rippen des Schneiders vollends zertrümmerte.
     
    Ulman hielt sein Pferd am kurzen Zügel. Das Tier war zwar nicht sehr schreckhaft, doch das Chaos, das Feuer und die Schreie brachten selbst schlachterfahrene Gäule aus der Ruhe. Der ganze Morgen hatte die Welt des jungen Patriziers verändert. Sein Onkel hatte Recht behalten: Es machte einen Unterschied, ob man das Töten nur beobachtete oder befohlen hatte. Er beobachtete mit merkwürdiger Faszination, wie leicht sich der Zorn des Pöbels entzünden ließ – und wie wenig dieser Pöbel gleichzeitig von den wahren Hintergründen verstand.
    Nun, kurz vor Mittag, lenkte der junge Mann seinen Rauchschimmel auf den Zotenberg. Noch immer gellten an verschiedenen Ecken der Stadt Schreie durch die glasklare Luft. Die ehemals weißbeschneite Straße war tief aufgewühlt und mit dunklen Flecken übersät. Noch immer jagten Gruppen von Bürgern und Söldnern hinter einzelnen Juden her. Wer sich noch innerhalb der Stadtmauern befand, wurde gefasst und vor die Stadt zu den Scheiterhaufen geschleift. Andere polterten auf der Suche nachWertsachen in aufgebrochenen Häusern herum. Ein Stadtviertel zu plündern war eine langwierige Angelegenheit. Ulman selbst hatte mit einigen Leuten dafür gesorgt, dass die Häuser der reichsten Juden aufgebrochen und
geplündert wurden, bevor der Pöbel überhaupt angekommen war. Doch die Ausbeute war enttäuschend gewesen. Die meisten Flüchtigen hatten sorgfältig hinter sich aufgeräumt, bevor sie gegangen waren. Nun musste man tiefer in den Kellern und Gärten graben, um versteckte Wertsachen zu finden. Immerhin hatten sie etliche Schuldscheine von Nürnberger Handwerksleuten entdeckt. Vermutlich würde dabei ein erkleckliches Sümmchen für den Rat herauskommen.
    Nun verhielt Ulman sein Pferd auf der Ecke des Zotenbergs und sah auf das Judenviertel hinunter. Die Judenschule brannte lichterloh, um sie herum lag ein Meer von toten Körpern. Auch andere Gebäude im Innern des Viertels standen in Flammen, doch inzwischen hatten sich Menschen zusammengerottet, um die Brände zu löschen. Ein Feuer in der Stadt bedrohte sie alle. Die von seinem Oheim angeworbenen Söldner hatten sich vor Enttäuschung über die geringe Ausbeute nicht auf die Häuser der Juden beschränkt. Einige von ihnen waren sogar in das Augustinerkloster eingedrungen. Den ganzen Schaden könnte man erst in ein paar Tagen abschätzen.
    Als er zu den oberen Fenstern des Hauses seines Oheims sah, erblickte er hinter den geschlossenen Butzenglasscheiben mehr schlecht als recht Gestalten. Die kleinen und dicken Scheiben gestatteten keine gute Sicht ins Innere, doch ein Fenster war geöffnet.Wenn er sich nicht täuschte, erkannte er dort den Judenrichter Eberlein, der hinunter auf das Schlachtfeld sah, das bis heute Morgen noch seine Heimat gewesen war. Der schlaue kleine Mann schien nicht der Einzige zu sein, der sich von Hosto Stromer seine Unversehrtheit hatte garantieren lassen. Der junge Mann schnaubte verächtlich. So würde sein Onkel doch noch seinen Schnitt machen.
    Der Schimmel ging unruhig unter dem Zügel, und so ließ Ulman ihn auf der anderen Seite der Gebäude zum Heilig-Geist-Hospital
traben; weg von der Gewalt. Er ertappte sich dabei, wie er in den Gassen auf die Leichen hinabsah und nach einem bekannten Gesicht Ausschau hielt. Irgendwann fand er sich hinter dem
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