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Die Leute mit dem Sonnenstich

Die Leute mit dem Sonnenstich

Titel: Die Leute mit dem Sonnenstich
Autoren: Horst Biernath
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hätte, daß er Michael Prack einfach für übergeschnappt halte, dann hätte Marion naturgemäß zu der Frage kommen müssen, worauf er diese Meinung begründe. Und tat er das, so kam wiederum unweigerlich heraus, daß er trotz Reue, Vorsatz und Versprechen wieder einmal versucht hatte, Schicksal zu spielen. Er beobachtete Michael heimlich und konnte zu seiner Beruhigung feststellen, daß sich die Gefahr eines neuen Wahnsinnsausbruches verzogen zu haben schien.
    Michael nörgelte nur: »Fünf Eier, Mehl und eine Speckschwarte. Na denn mal los!«
    »Was meinen Sie, was man daraus machen sollte?« fragte Marion schüchtern.
    »Komische Frage!« raunzte er. »Was sonst, als damit ein paar anständige Eierkuchen backen!«
    »Eierkuchen — natürlich!« rief sie freudig überrascht.
    Michael sah sie mißtrauisch an: »Natürlich Eierkuchen! Oder wollten Sie daraus vielleicht Pichelsteiner Fleisch oder Ungarisches Gulasch machen?«
    »Nein, nein! Selbstverständlich Eierkuchen!« sagte Marion zaghaft.
    »Aber der Speck muß goldgelb sein, verstanden? Ich kann es auf den Tod nicht leiden, wenn er zu stark ausgebraten wird und wie gesalzenes Stroh schmeckt! — Ich nehme doch an, daß Sie kochen können!«
    Sein Tonfall schloß eine negative Antwort von vorneherein aus.
    »Na hören Sie einmal!« sagte Marion. »Was ist schon groß dabei, einen Eierkuchen zu kochen.«
    »Zu backen!« knurrte er.
    »Zu backen! Sie brauchen sich ja bloß bei meinem Vater zu erkundigen, ob ich kochen kann oder nicht.«
    Herr Keyser saß in einiger Entfernung in der Sonne, ließ sich den Rücken bescheinen, und sorgte sich um die Zukunft. Michael verzichtete darauf, ihn zu befragen.
    »Aber ich liebe sie schön braun«, sagte er lüstern, »und nicht so weich wie alte Lappen! Warten Sie, ich hole Ihnen noch einen Armvoll Holz. Sie brauchen eine scharfe Hitze.«
    Arme Marion! Sie hatte gehofft, er werde dabeibleiben und ihr in der Küche helfen. Sie wäre schon geschickt genug gewesen, ihm auf die Finger zu sehen, ihn arbeiten zu lassen und dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas schiefging. Aber er ging fort, warf ihr nach einer Weile ein Bündel trockenes Treibholz vor die Füße und überließ sie ihrem Schicksal. Und dabei liebte er sie schön braun. — Heiliger Bimbam, das konnte ja heiter werden! Marion traf sehr umständliche Vorbereitungen, um Zeit zu gewinnen. Wie oft in ihrem Leben hatte sie Eierkuchen gegessen! Mit unterbackenem Schinken und grünem Kopfsalat dazu. Aber es war Jahre her, daß sie der Köchin daheim zugeschaut und geholfen hatte. Als kleines Mädchen, wenn sie etwas für ihre Puppenküche brauchte. Und wenn die Köchin Walburga guter Laune war, dann hatte sie sogar helfen dürfen, den Teig zu rühren und den Salat zu waschen. Irgend etwas hatte ihr dabei immer besonders viel Spaß gemacht. Was nur, was nur? Sie kam nicht darauf, daß ihr die Verwandlung des Eiweißes in Schnee immer wie ein Wunder vorgekommen war. Aber dafür fiel ihr ein, daß ein französischer Gourmet einmal ein Buch geschrieben hatte mit dem Titel: »Tausenderlei — aus einem Ei!< Und dieses Buch stand sogar daheim in ihres Vaters Bücherschrank. Ein Geschenk von Onkel Rudolf. Aber so etwas liest man doch nicht. So etwas ißt man. Jetzt wäre sie froh gewesen, wenn sie aus den fünf Eiern wenigstens eine einzige halbwegs genießbare Mahlzeit hätte zustande bringen können. Michael tummelte sich derweil im Wasser. Als ob er ohne diese Schwimmerei nicht schon genug Hunger mitgebracht hätte! In ihrer Not suchte sie ihren Vater auf.
    »Du, Paps, hilf mir mal und sag mir: wie bäckt man eigentlich Eierkuchen?«
    »Kann der Kerl sie sich nicht selber machen?« fragte Herr Keyser unliebenswürdig.
    »Komm, Paps, sei lieb und nett zu mir. Und sei nicht immer so garstig gegen Michael. Ich habe ihm halt ein wenig voreilig versprochen, daß ich sie backen würde. Und nun möchte ich mich nicht blamieren.«
    »Also Eierkuchen«, sagte Herr Keyser, von dem Gedanken an ein Frühstück, das er schon knusprig auf der Zunge zergehen spürte, halb besänftigt, »also dazu gehören erstens einmal — Eier. Jawohl, eine Schüssel voller Eier. Und dann, meine ich, gehört dazu etwas Mehl, und Salz natürlich, aber nicht mehr als eine Prise, wenn der Speck schon ein wenig scharf ist. Laß ihn mich mal probieren.«
    »Das ist alles, was du möchtest und was du kannst«, sagte sie düster, »aber wie man Eierkuchen macht, davon hast du auch keine
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