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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Hoffman
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angenehmes Lächeln. »Mehr als… Weißt du, ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, aber es war irgendwas Tiefes. Vielleicht kannst du mir helfen.«
    »Es ist wahr«, sagte sie fast unhörbar leise.
    »Auf dem Gemüsemarkt hält man dich für eine Schlampe– sie schließen sogar Wetten ab, wer der Vater ist: dass dir entweder der Dorftrottel von Memphis oder der Gossenjunge den Braten in die Röhre geschoben hat.«
    »Du weißt, dass das nicht stimmt.«
    »Ich weiß es eben nicht. Du hast mich an Männer verkauft, obwohl dir klar sein musste, dass sie mich direkt zum Galgen schleppen würden, dass sie mich aufhängen und mir noch lebend die Eingeweide herausschneiden würden, und ich würde alles mit ansehen… dass sie meine Innereien rösten würden, meinen Schwanz und die Eier abschneiden würden. All das, verstehst du? Es sieht also nicht gut für dich aus.«
    »Sie haben mir versprochen, dir nichts anzutun.«
    »Und wie kommst du nur auf die Idee, dass ihnen ein Versprechen heiliger ist als dir? Du hattest genug von mir, du wolltest nichts mehr von mir wissen und wolltest mich nur los sein, egal, wie.«
    »Das ist nicht wahr.« Sie weinte, aber kaum hörbar.
    »Es mag nicht die ganze Wahrheit sein, doch es kommt ihr sehr nahe. Und ich habe jetzt ohnehin genug davon, dir zuzuhören.«
    »Sie haben dir nichts dergleichen zugefügt. Er hat mir versprochen, dass er dich zu einem mächtigen Mann machen wird. Und bist du es nicht geworden? Hat er sein Versprechen denn nicht gehalten?«
    Das war zu viel. Mit ein paar Schritten war er bei ihr, während sie voller Angst zur Wand zurückwich und die Hände vor den Bauch hielt, um ihr Kind zu schützen. Er packte sie am goldenen Haarschopf und zerrte sie zum Sofa, wo er sie auf die Knie stieß.
    »Ich zeige dir, wie er sein Versprechen hielt, du verlogene Schlange«, zischte er, und während er sie mit einer Hand am Haar festhielt, zog er mit der anderen eine Öllampe auf dem Tisch näher heran. Dann griff er in die Tasche und holte den Brief heraus, den Bosco ihm gegeben und über den er mit Henri gestritten hatte. Er entfaltete ihn auf dem Sofakissen und drückte brutal ihren Kopf hinunter, bis ihre Nase das Pergament fast berührte.
    »Lies!«, befahl er.
    »Du tust mir weh!«
    Er riss sie am Haar, und sie schrie auf.
    »Schrei nicht so laut!«, flüsterte er. »Irgendein Unglücklicher könnte dich hören. Und nun lies, von wem er ist!« Wieder zog er an ihrem Haar.
    »Von Bruder General Archer, Befehlshaber auf dem Veldt, an Bruder General Bosco.«
    »Die ersten Zeilen darfst du überspringen.«
    »Bevor Thomas Cale von hier wegritt, befahl er uns, jedes Dorf auf dem Veldt im Umkreis von fünfzig Meilen um unser Lager zu durchsuchen und alle Frauen und Kinder zusammenzutreiben, und ihre Tiere ebenfalls, die als Nahrung für die dreitausend Seelen dienen sollten, die wir gefangen genommen hatten. Die meisten Tiere starben an einer Art Rinderpest, und das überlebende Vieh produzierte weniger Milch. Da es uns selbst an Proviant mangelte, hatten wir nichts, um es auszuteilen. Da die Gefangenen bereits geschwächt waren, verhungerten viele oder starben an Masern und Ruhr, insgesamt wohl zweieinhalbtausend. Ich wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt, doch als ich das Lager inspizierte, sah ich solches Elend, dass es mir fast das Herz brach…«
    »Den nächsten Absatz kannst du weglassen«, sagte Cale und deutete auf eine andere Stelle weiter unten im Brief. »Lies hier weiter.«
    »Aus jedem Winkel kamen sie gekrochen, auf Händen und Knien, weil ihre Beine sie nicht mehr trugen; sie glichen dem Abbild des Todes, und ihre Stimmen waren nur noch ein heiseres Flüstern wie das Wehklagen von Geistern aus den Gräbern. Man sagte mir, dass sie voller Gier Moos äßen, wenn sie solches fanden und dass sie in ihrer Not sogar die Leichen aus den Gräbern kratzten. Ich weiß, Ihr seid ein barmherziger Mensch, aber obwohl ich bittere und erbarmungswürdige Dinge beschreibe, die leichter zu lesen als zu ertragen sind, gibt es dennoch keine Hoffnung, dass diese Antagonisten sich zum Besseren wenden würden, und so ist es eine entsetzliche Notwendigkeit, dass sie niedergemacht werden. Dies Urteil ist vom Himmel, und es berührt unsere bebenden Herzen nicht mit Mitleid.«
    »Das reicht«, sagte er und ließ ihren Haarschopf so plötzlich los, dass ihr Kopf auf das Kissen schlug– nicht die grausamste Grausamkeit, die er jemals der Welt bewiesen hatte, wie man hinzufügen
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