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Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)

Titel: Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Autoren: Paul Hoffman
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er eine Anweisung erließ, sie in Räumen unterzubringen, die vor zweihundert Jahren als Wohnraum für die damalige neue Braut des Königs, die Infanta Pilar, eingerichtet worden waren. Die Infanta allerdings wurde nicht größer als zweieinhalb Cubits– ein Cubit entsprach der Distanz zwischen Ellbogen und Fingern bei ausgestrecktem Arm. Doch sie wurde bewundert, weil sie gutherzig, witzig und großzügig gegenüber den Armen war. Sie regte den Bau vieler Gebäude an, deren Stil der damals vorherrschenden Verrücktheit nach allem, was spanisch aussah, entsprach. Dieser Mode hatte die Stadt, die seinerzeit nur einfach Leeds hieß, ihren ungewöhnlichen Namenszusatz zu verdanken. Und war Leeds früher ein Synonym für alles, was trostlos und jämmerlich wirkte– »Du siehst aus wie einer aus Leeds«, war einer der Standardsprüche zu Lasten der unglücklichen Stadtbewohner–, so führte das allgemeine Verlangen, der winzigen Infanta jeden Wunsch zu erfüllen, zu einer wahren Explosion an exotischen öffentlichen und privaten Häusern im spanischen Stil. Die Privaträume der Infanta hatte ihr verehrungsvoller Gatte entsprechend ihrer Körpergröße bauen lassen und nicht etwa für die normalgroßen Personen ihrer Umgebung. Für Arbell bedeutete das, dass ihr Gemach zwar einer Königin zu Ehren gereicht hätte, aber eben nur zu Ehren einer Königin von zweiundvierzig Zoll Größe. Der Infanta mochte die Decke sehr hoch vorgekommen sein, für Arbell jedoch gab es viele Stellen in den Räumen, an denen sie ihren wunderschönen Hals ein ganz klein wenig neigen musste.
    Es war die Nacht nach dem grauenhaften Bankett. Conn und Arbell saßen in ihrer Wohnung. Angesichts der Tatsache, dass beide recht groß waren, boten sie in den Proportionen der Räume ein fast komisches Bild, als säßen sie in einer Räumlichkeit, die irgendwo zwischen einer Schiffskajüte und einer überdimensionalen Puppenstube angesiedelt war.
    Arbell blickte auf ihre Brüste und den gewölbten Bauch hinunter. »Ich fühle mich«, sagte sie zu Conn, »als hätte ich die Köpfe von drei kahlen Männern verschluckt. Drei sehr große Köpfe. Gott im Himmel, wie lange noch?«
    »Du siehst wunderschön aus.«
    »Das sagst du nur, weil ich dich dazu provoziert habe.«
    Conn lächelte.
    »Das stimmt, du hast mich dazu provoziert. Aber es stimmt trotzdem.«
    »Du lügst so nett, dass es fast ein Vergnügen ist, sich von dir täuschen zu lassen.«
    »Wie du willst«, sagte er und nahm ihre Hand.
    »Versprich mir, dass du dich von Thomas Cale fernhältst«, sagte sie.
    »Ich habe mich schon gewundert, wie lange es dauern würde, bis du auf ihn zu sprechen kommst.«
    »Jetzt weißt du es. Versprich es mir.«
    »Du vergisst wohl, dass er mir das Leben rettete. Es ist nicht leicht, jemanden umzubringen, dem man so viel zu verdanken hat. Er hat auch dir das Leben gerettet, und das macht die Sache noch schwerer. Also gut– ich verspreche es, obwohl er so gemein zu dir war.«
    »Das werde ich überleben. Aber ich möchte dich etwas fragen, das mir viel schwerer fällt.«
    »Was?«
    »Er ist nicht sehr großmütig. Und ich will, dass du mir versprichst, sofort zu gehen, wenn er dich suchen kommt.«
    »Und was wird aus meinem Stolz?«
    »Das ist nichts, und es geht vorbei. Stolz ist nichts.«
    »Das kannst du nur sagen, weil du eine Frau bist.«
    »Und weil ich deshalb keinen Stolz haben kann?«
    »Was dich stolz macht, ist anders – und deshalb ist das, was dir oder mir möglich oder unmöglich ist, ebenfalls verschieden.«
    »Und wird es dich stolz machen, Cale das zu geben, was er von dir will? Er ist nicht so dumm, dich herauszufordern, wenn du in voller Rüstung vor ihm stehst. Er weiß, dass du dann im Vorteil bist.« Diese kleine und sogar zutreffende Schmeichelei war angesagt, wie sie fand, denn sie hatte ihn vielleicht sogar schon zu weit getrieben.
    »Und was sollte ich deiner Meinung nach tun, wenn er mich provoziert?«
    »Mein Gott, du klingst wie ein Schuljunge!«
    »Nur, weil du offenbar nicht verstehen willst, worum es geht.« Er ärgerte sich, dass sie auf diese Weise mit ihm redete, aber manchmal musste man das den Frauen eben nachsehen, vor allem Frauen im Spätstadium der Schwangerschaft. »Wenn ich nachgebe oder zurückweiche, geht damit gleichzeitig auch mein Ruf verloren, alles, was ich bin und habe. Du sagst, du würdest mich auch weiterhin achten– aber wirst du das wirklich?«
    »Natürlich werde ich das.«
    »Das sagst du jetzt. Aber ich
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