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Die letzte Schoepfung

Die letzte Schoepfung

Titel: Die letzte Schoepfung
Autoren: Patricia Lewin
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aus anklagenden Augen anblickten. Nein, das stimmte nicht – sie klagten nicht an. Wie viel einfacher es wäre, wenn sie ihm die Schuld geben würden! Doch alles, was er jemals in diesen kleinen fragenden Gesichtern gesehen hatte, war Furcht.
    Ethan bezwang seine chaotischen Gedanken.
    Es war kein Zufall, dass Ramirez Anna nach dieser langen Zeit aufgespürt hatte. Ethans Aufenthaltsort war ihm ebenso unbekannt gewesen wie allen anderen. Nur Ethans Team hatte von dem abgelegenen Wüstencanyon gewusst. Also musste Ramirez Anna gefolgt sein.
    Und was war mit den Kindern?
    Anna hatte gesagt, sie brauchten seine Hilfe. Könnte Ramirez genau jetzt, in diesem Moment…
    Plötzlich fiel ihm der teure ausländische Wagen ein.
    »Mein Gott!«
    Er schnappte sich Annas Waffe und die Tasche, sprang auf und rannte zu seinem Truck, überließ Annas Leiche der Wüste. Der Spanier hatte keine Skrupel, Grenzen zu überschreiten. Für ihn war ein Opfer wie das andere – ob Mann, Frau oder Kind.
    Zum ersten Mal seit Jahren betete Ethan.
    Er musste vor Ramirez bei den Kindern sein.

2.
    Avery Cox starrte durch die regengepeitschten Fenster von Turners Büro. Draußen tobte der Sturm, wühlte die Wasser des küstenfernen Puget Sound auf und peitschte Windböen über die kleine Insel. Im Innern erleuchtete wässeriges Licht den trüben Raum und zeichnete unruhige Schatten auf den dicken Teppichboden. Man konnte nicht sagen, ob es Morgen oder Abend war, Winter oder Sommer. So wie jetzt war es hier draußen immer. Ob stürmisch oder nicht, das Wetter blieb stets gleich: nass und eintönig.
    Gott, wie er diese Insel hasste!
    Er kannte Selbstmordstatistiken, in denen es hieß, im pazifischen Nordwesten gebe es mehr Freitode als im Rest des Landes. Die Fachleute nannten als Grund die wenigen Sonnenstunden und stellten die Behauptung auf, dies senke den Serotoninspiegel im Gehirn. Cox glaubte diesen Behauptungen unbesehen. Besonders diese Insel war verdammt deprimierend.
    Er wandte den Blick von der öden Landschaft ab und betrachtete Turners Büro. Ein großer, weitläufiger Raum, edel möbliert mit Rosenholz und weinrotem Leder, Bücherregalen mit Glastüren, echten Kunstwerken – auf zweifelhafte Art erworben – und einer gut bestückten Bar. Turner hatte keine Kosten gescheut, um sich mit allem erdenklichen Komfort zu umgeben.
    Avery grinste bei dem Gedanken, dass es auch anders hätte kommen können.
    Vor zehn Jahren hatten etablierte Wissenschaftler Dr. Paul Turner wegen seiner illegalen und moralisch fragwürdigen Experimente verstoßen. Beinahe wäre er angeklagt worden und ins Gefängnis gewandert.
    Dann war Avery Cox auf den Plan getreten.
    Er hatte Turner einen Ausweg angeboten: diese Anlage und die nötigen Gelder, um sie zu betreiben. Es bedeutete zwar, dass Turner von der Bildfläche verschwinden und zu einem Unsichtbaren werden musste, aber das war ein kleiner Preis, den er für seine Freiheit zu zahlen bereit war. Im Gegenzug hatte Avery bedingungslose Loyalität erwartet.
    Nun musste er entscheiden, ob Turner seinen Teil der Abmachung nicht erfüllt hatte, oder ob er einfach nur inkompetent war.
    Die Tür ging auf, und Morrow trat ein. »Der Sturm lässt nach«, verkündete er. »Wir können bald los.«
    »Wo steckt Turner?« Avery erwartete zwar nicht, dass dieser armselige Wissenschaftler Probleme machen würde, aber man konnte nie vorsichtig genug sein. Turner hatte Angst, und ängstliche Menschen sind unberechenbar. Es wäre eine Schande, ihn wegen einer Unüberlegtheit töten zu müssen. Zum Beispiel, wenn er fliehen wollte.
    »Ich habe einen Mann abgestellt, der ihn beobachtet, während er sich auf die Befragung von dem Jungen vorbereitet«, erwiderte Morrow. »Er lässt uns holen, wenn er so weit ist.«
    Avery Cox schnaubte verächtlich.
    Es war fast peinlich mit anzusehen, wie durchsichtig Turners Manöver wurden, als er nach jedem Strohhalm griff, um sich zu retten. Nun hatte er geschworen, dass einer der Jungen, ein Freund von Danny, wisse, wohin die Ausreißer gefahren waren. Selbst wenn Turner Recht hatte und die nötigen Informationen beschaffte, bezweifelte Avery, dass es etwas nützte. Er kannte Anna Kelsey. Sie hatte ihre eigenen Pläne, die sie gewiss nicht irgendwelchen Kindern offenbaren würde. Im Augenblick aber konnte Avery es sich nicht leisten, eine noch so schwache Spur zu übersehen.
    Sie mussten die Kinder finden, und zwar schnell, bevor ein anderer sie fand.
    »Was meinen Sie? Hat Turner seine
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