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Die letzte Schlacht

Titel: Die letzte Schlacht
Autoren: James Barclay
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und seine Fähigkeiten einzusetzen, um einem Sterbenden beizustehen. Aber wie er jetzt dalag – seine Toga dunkel von seinem Blut, das Gesicht zerschunden, aus Nase, Mund und Ohren blutend. Auch unter dem schönen braunen Haar quoll das Blut hervor.
    »Brauchst du mich, Ossie?«, fragte Arducius.
    Ossacer nickte. »Ich brauche alles, was ich bekommen kann. Er ist schwer verletzt. Acht Stichwunden, Schädelbruch. Rippen und Unterkiefer sind ebenfalls gebrochen. Außerdem ein komplizierter Bruch des Jochbeins. Er hat überall Prellungen. Der Allwissende behüte uns, aber die dies getan haben, waren Tiere.«
    »Nein, es waren nur die Lakaien der Kanzlerin«, widersprach Hesther.
    »Wie ich schon sagte«, erwiderte Ossacer. »Was bin ich doch für ein Narr. So ein Narr.«
    Unter seinen Händen stöhnte Cygalius. Wieder rann das Blut aus seinem verletzten Mund.
    »Still«, sagte Arducius. »Ganz ruhig.«
    Auch er legte dem Jungen die Hände auf, der sich sofort entspannte.
    »Danke«, sagte Ossacer. »Ich brauche deine Kraft, um ihn zu retten.«
    »Schaffst du das überhaupt?«, fragte Arducius.
    Ossacer sah ihn schuldbewusst und ängstlich an. »Ich muss. Es ist doch alles meine Schuld.«
    »Sei kein Narr«, widersprach Arducius. »Tu einfach alles, was du kannst. Sag mir, wie ich dir helfen kann.«
    »Gut. Zuerst müssen wir die inneren Blutungen stillen.«
    Hesther konnte nicht zuschauen. Sie ging zu einem Fenster und blickte über den Hof zur Basilika hinüber. Allmählich beruhigte sich die Lage wieder. Die Basilika war weitgehend geräumt, davor liefen noch einige Leute herum. Lorim Aurelius, der Vorsitzende des Estoreanischen Senats, stand von Wächtern umgeben auf der Treppe. Er hatte im Namen der Advokatin die Gesuche der Bürger entgegengenommen. Ein alter, aber starker und fähiger Administrator. Jetzt zitterte er wie Espenlaub.
    Am Hof scheuchten gut hundert Palastwächter schon die wütende Menge durchs Siegestor, wo tausend weitere standen, Flaggen schwenkten und sangen. Marcus Gesteris begleitete die Soldaten und unterstützte sie durch seine Erscheinung und seine Autorität. Marschallgeneralin Elise Kastenas war an seiner Seite. Zusammen hatten sie in der Basilika Fragen über die Invasion beantwortet und die Befürchtungen beschwichtigt, die aufgekommen waren, sobald in der ganzen Konkordanz und in Sichtweite der Einwohner von Estorr die Wachfeuer aufgeflammt waren.
    Die Demonstration, der Angriff und der folgende Tumult waren grausam gut geplant gewesen. Niemand hatte etwas vorausgesehen. Schon seit Tagen marschierten Menschen unter dem Banner des Allwissenden durch die Straßen, kein Aufgestiegener hatte nach draußen gehen dürfen. Die Kanzlerin hatte sich die Gerüchte und Berichte zunutze gemacht und einen ansehnlichen Teil der Einwohnerschaft, namentlich die Armen und Besitzlosen, aufgestachelt und zu einer gefährlichen zerstörerischen Macht geformt.
    Doch sie hatten sich vom Hügel ferngehalten. Bis heute jedenfalls. Der Tag war gut gewählt, denn die Audienz fand ohne die Advokatin statt, und auch viele ältere Regierungsmitglieder waren nicht anwesend. Es war so leicht gewesen, mörderische, gewalttätige Handlanger in die Basilika einzuschleusen. Im Nachhinein kam es Hesther sogar so vor, als hätten die meisten Zuschauer vorbestimmte Rollen gespielt. Sie wollte dem Mann in die Augen sehen, der einen Herzanfall vorgetäuscht hatte. Sie wollte ihm zeigen, was er angerichtet hatte.
    Ein bitterer Geschmack stieg in ihrer Kehle auf. Da war die Kanzlerin. Sie stand bei Aurelius und schüttelte den Kopf, als könnte auch sie nicht glauben, welche Unruhe auf einmal im Regierungssitz von Estorea herrschte. Sie sprach mit dem Senator, ihre Arme und Hände waren ständig in Bewegung. Mehr als einmal deutete sie zum Kanzleramt.
    Hesther wurde bewusst, dass die Menschen den Namen der Kanzlerin sangen. Seit die Kanzlerin aus der Basilika getreten war, gingen sie nicht weiter zum Siegestor und stemmten sich sogar gegen den Druck der Wächter. Die Atmosphäre veränderte sich, der Zorn wich fiebriger Erwartung.
    Die Kanzlerin hob die Hände, und die Menge verstummte. Es gab ein Gedrängel und Geschiebe, als die Leute sich einen guten Platz suchten, um sie verstehen zu können. Hesther blickte rasch zum Fenster. Es war verriegelt, und die Entfernung war zu groß, um Koroyan zuzuhören. Hesther war ohnehin nicht sicher, ob sie die Lügen hören wollte.
    »Das hinterhältige Miststück«, schimpfte sie.
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