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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht
Autoren: Wolfgang Schorlau
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hier! Hier werden die fehlenden Baugrundstücke aufgelistet, die die Bahn noch nicht besitzt. Und es wird berichtet, dass der Baugrund tückischer ist als offiziell zugegeben. Dann noch eine Stellungnahme einer Baufirma, die die technische Machbarkeit infrage stellt, dass der Bahnhof, also das Bonatz-Gebäude, während der Bauarbeiten wie geplant abgestützt werden kann. Georg, hier ist ein Bericht darüber, dass sich keine Firma findet, die unter dem Fabrikgelände von Daimler den geplanten Tunnel bohren will. Niemand will für mögliche Produktionsausfälle aufkommen. Es ist ein Chaos! Ich habeauch Listen mit der Personalfluktuation bei den Ingenieuren. Die wissen, dass das Ganze mit unverantwortlichen Risiken behaftet ist. Die kündigen, sobald sie einen anderen Job gefunden haben.«
    »Olga, das ist illegal, was du da machst.«
    »Hier, schau: eine Aktennotiz. Ich lese vor: ›Alle Risiken, die kostenmäßig bewertet werden, sind mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von weniger als 50 Prozent einzugeben. Risiken, die kostenmäßig noch nicht bewertet sind, können mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent eingegeben werden.‹«
    »Olga, wenn die dir auf die Spur kommen …«
    »Die rechnen sich das Projekt schön, und Zahlen, die Stuttgart 21 teurer machen, lassen sie einfach unter den Tisch fallen.«
    »Olga, das ist illegal. Du darfst nicht in fremde Computer eindringen.«
    »Hinter fast der Hälfte der 121 Risiken haben sie Zahlen geschrieben. Zusätzliche Kosten. Die Ingenieure der Bahn gehen davon aus, dass Stuttgart 21 um 1,264 Milliarden Euro teurer wird, als der Bahnvorstand nach außen kundtut.«
    »Olga, vielleicht sind das Gangster. Aber es sind mächtige Gangster. Sie mögen es sicher nicht, dass du in ihren Rechnern spionierst.«
    »Ich wollte nur wissen, ob Martin und Mario recht haben. Mehr nicht.«
    »Und was machst du nun mit diesen Informationen?«
    »Nichts.«
    »Mmh.«
    »Was heißt ›Mmh‹?«
    »Kannst du Martin diese Dateien schicken, ohne dass dich jemand erwischt?«
    »Sicher kann ich das. Aber«, sie imitierte seinen Tonfall, »es ist illegal, Georg.«
    »Mmh.«
    Olgas Finger klapperten über die Tastatur.
    »Morgen wird sich Martin wundern. Und jetzt komm ins Bett.«
    Sie nahm ihn an der Hand.

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8. Lehmann
    Lehmann & Partner residierte im vornehmen Teil der Friedrichstraße, Hausnummer 71. Eine der besten Adressen der Stadt für eine Anwaltskanzlei. Als er die Eingangshalle betrat, fühlte Dengler sich wie in einem amerikanischen Film: Sie war verschwenderisch groß, roter Marmor, kalte, gepflegte Atmosphäre. Ein Lift mit Liftboy brachte ihn in den zweiten Stock, wo sich ein heller Empfangsraum unmittelbar hinter der Aufzugstür öffnete.
    Die Empfangsdame war wirklich eine Dame, blaues Kostüm, streng, sehr gepflegt. Sie gab ihm das Gefühl, als habe sie den ganzen Tag auf ihn gewartet.
    »Herzlich willkommen, Herr Dengler. Hatten Sie einen guten Flug? Dr. Lehmann freut sich schon auf Ihren Besuch.«
    Sie führte ihn in ein Besprechungszimmer. Auf dem Tisch standen zwei kleinere Flaschen Mineralwasser und eine silberne Kaffeekanne. Italienisches Design. Durch das Fenster sah Dengler den Stau unten auf der Straße, hastige Fußgänger und schlendernde Touristen. Die Menschen trugen Hemden und Blusen. Er erkannte die Amerikaner an den kurzen Hosen, die Französinnen an den sehr knappen Miniröcken. Es würde ein heißer Spätsommertag werden.
    »Ich weiß es zu schätzen, dass Sie so schnell nach Berlin kommen konnten«, sagte der Anwalt, nachdem er die Türegeschlossen, sich gesetzt und Kaffee eingeschenkt hatte. Dengler schätzte ihn auf etwa sechzig Jahre, weiße Haare, dünn, aber immer noch mit ein paar Locken im Nacken, schwarze Brille, grauer Anzug, gerader Schnitt, erkennbar nicht billig. Fester Händedruck, feines Lächeln.
    »Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen.«
    Dengler zog sein schwarzes Notizbuch aus der Innentasche seines Jacketts.
    »Bernhard Voss ist ein Freund. Bis vor Kurzem dachte ich, ich kenne ihn gut. Nun sitzt er wegen eines scheußlichen Verbrechens in Moabit. Ich bin kein Strafrechtler. Mein Fachgebiet ist Vertragsrecht. Aber wir haben natürlich auch einige Strafrechtler in der Kanzlei. Trotzdem brauchen wir jemanden, der die Fakten prüft. Neue Fakten sucht. Verstehen Sie?«
    Dengler verstand nicht, aber er nickte.
    »Die Beweislage ist verheerend. Was wissen Sie mittlerweile über den Fall?«
    »Nur das, was ich in den Medien
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