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Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht
Autoren: Wolfgang Schorlau
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schon etwas mehr über den Fall erzählen.«
    »Können Sie nach Berlin kommen?«
    »Sicher. Wann?«
    »So schnell wie möglich. Morgen?«
    Dengler zögerte. Er wollte keinen neuen Auftrag. Nicht sofort. Er hatte sich darauf gefreut, ein paar Tage mit Olga zu verbringen.
    Andererseits: Sein Konto war leer.
    Es gab eine erprobte Methode: Wenn er einen Auftrag lieber nicht annehmen wollte, verlangte er einfach ein überhöhtes Honorar. Dann erledigte sich die Sache meist von allein.
    »Kennen Sie meine Konditionen?«, fragte er. »180 Euro pro angefangene Stunde plus Mehrwertsteuer und Spesen.«
    »Das geht in Ordnung«, sagte der Mann, ohne zu zögern. »Seien Sie morgen um 14 Uhr in meiner Kanzlei. Geht das? Dr. Lehmann und Partner. Friedrichstraße 47.«
    Dengler schwieg verblüfft.
    »Hallo? Sind Sie noch dran?«, fragte der Mann.
    »Um 14 Uhr bin ich bei Ihnen.«
    ***
    »Kennt ihr zufällig den Fall Voss?«, fragte er, als er zurück an den Tisch kam.
    »Scheußlich«, sagte Olga.
    »Dieses Schwein«, sagte Mario.
    »Noch gilt die Unschuldsvermutung. Der Mann ist noch nicht verurteilt«, sagte Leopold Harder.
    »Könnt ihr mir mal sagen, um was es geht? Ich war drei Wochen nicht da, schon vergessen?«
    Harder berichtete: »Einem Berliner Arzt wird vorgeworfen, ein neunjähriges Mädchen umgebracht zu haben. Erst hat er es offenbar entführt. Mehr als zwei Wochen lang wurde das Kind gesucht. Alle Zeitungen druckten das Bild. Die Eltern appellierten im Fernsehen an den Entführer. Fürchterliche Geschichte. Wir hatten jeden Tag irgendeine Story im Blatt. Einige Tage lang bestand die Hoffnung, dass das Mädchen noch lebend gefunden wird. Dann wurde sie gefunden: vergewaltigt und erschlagen. Schon am nächsten Tag wurde dieser Kerl festgenommen: Dr. Voss. Die Zeitung mit den großen Buchstaben war live dabei. Sie brachte ein Bild direkt von der Verhaftung, der Täter mit irrem Gesicht, grüner OP – Schürze, voll mit Blut. Die Beweise sollen eindeutig sein.«
    »Was hast du damit zu tun?«, fragte Olga.
    »Ich wurde eben von seiner Verteidigung engagiert.«
    ***
    Nach dem Sex stritten sie sich.
    »Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn du so einem Kerl hilfst«, sagte sie.
    »Ich wollte diesen Auftrag auch nicht. Ich … noch habe ich ja nicht sicher zugesagt.«
    »Aber du fährst nach Berlin. Morgen schon. Wir haben uns drei Wochen nicht gesehen. Drei Wochen, Georg. Wir haben einiges aufzuholen.«
    »Ich weiß, aber …«
    Wie sollte er es erklären?
    »Ich hab den Preis um die Hälfte erhöht, aber der Anwalt will mich trotzdem, und jetzt muss ich da hin. Ich höre mir die Geschichte mal an.«
    »Was redest du? Sag ab. Das ist einfach. Sag einfach ab.«
    »Das geht nicht. Ich hab zugesagt.«
    »Weißt du, dass der Kerl voller Blut war, als er verhaftet wurde? Eklig. Er sieht aus wie ein Mörder. Und du sollst keinem Mörder helfen. Keinem Kindermörder, Georg!«
    »Vielleicht kann ich ihn sprechen und sehen, ob er lügt. Ich meine, das ist das, was ich gerade gelernt habe. Ich würde mein neues Wissen gern ausprobieren. Wenn er es war, ist der Auftrag ja schnell erledigt, dann bin ich auch schnell wieder da.«
    Dengler schwang sich aus ihrem Bett. Er ging in das Zimmer nebenan, wo Olgas Computer standen.
    »Du hast ja neue Hardware«, rief er.
    »Ja«, sagte sie. »Einen neuen Supercomputer. Auch ich habe mich in der Zwischenzeit weitergebildet. Da du ja nie da bist, kann ich dir leider nichts von dem erzählen, was mich beschäftigt.«
    Sie stand nun nackt in der Tür.
    »Komm ins Bett und vergiss diesen Mörder.«
    »Gleich.«
    Er startete die Suchmaschine und buchte den frühen Flug nach Berlin.

[Menü]
6. Erster Tag
    Assmuss wartete.
    Endlos lange.
    Zweimal pinkelte er in den weißen Eimer.
    Die Kopfschmerzen zogen sich langsam zurück.
    Draußen wurde es dunkel.
    Er nahm noch ein Aspirin.
    Gestern Abend hatte man ihn entführt, und noch immer hatte er niemanden gehört oder gesehen, wusste nicht, wo er war und warum er hier war.
    Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Bestimmt hatten die Entführer ihre Forderungen bereits gestellt. Vielleicht würde Peterson schon morgen zahlen.
    Gleichzeitig wusste er, dass das kaum realistisch war. Wenn es um Geld ging, und um was sollte es sonst gehen, würde eine Transaktion in der Größenordnung, mit der man rechnen musste, nicht so schnell erfolgen. Trotzdem tröstete dieser Gedanke.
    Ich schlafe ein, und morgen bin ich frei.
    Er sah sich auf einer Pressekonferenz.
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