Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Flucht

Die letzte Flucht

Titel: Die letzte Flucht
Autoren: Wolfgang Schorlau
Vom Netzwerk:
Eine schöne dunkelhaarige Journalistin fragte ihn: Wie haben Sie nur diese schlimmen Tage überstanden?
    Er schloss die Augen.
    Es war nur ein Tag, hörte er sich sagen. Ich war gefesselt. Aber ich habe mich zur Ruhe gezwungen. Er sah in die bewundernden Augen der Journalistin.
    Blitzlichtgewitter.
    Seine Ernennung zum Chairman von Peterson & Peterson .
    Was aber, wenn Peterson nicht zahlt?
    Sein Herz raste plötzlich. Die Kehle fühlte sich wund an.
    Er musste sich beruhigen.
    Er atmete langsam durch die Nase ein und durch den Mund aus. Einmal, zweimal, dreimal. Wird Birgit bezahlen?
    Sicher wird sie das.
    Er schloss die Augen und stellte sich wieder die Pressekonferenz vor. Assmuss als Held.
    Inmitten dieser Träumereien hörte er ein Geräusch.
    Ein Schlüssel drehte sich zweimal im Schloss.
    Assmuss richtete sich auf.
    Er erschrak nicht.
    Der Mann sah so aus, wie er sich einen Entführer vorgestellt hatte: schwarze Wollmaske, schwarze Jeans, schwarzer Pullover und schwarze Handschuhe. In der Hand trug er eine weiße Plastiktasche. Erstaunlicherweise war der Mann nicht viel größer als er selbst.
    Er sagte kein Wort, und auch Assmuss blieb still. Der Mann ging um den Tisch herum, stellte die Tüte auf den Tisch, öffnete sie, nahm eine weiße Pappschachtel heraus und schob sie auf die andere Tischseite.
    »Ich hoffe, Sie mögen Thailändisch.«
    Seine Stimme klang angenehm. Tief, ohne ausländischen Einschlag. Kein Dialekt. Die Wollmaske dämpfte den Ton.
    Assmuss nickte.
    Der Entführer legte eine Serviette und eine Plastikgabel neben die Schachtel.
    »Bier oder Cola?«
    Assmuss schluckte. Cola wäre vernünftig …
    »Bier, bitte.«
    Der Mann zog zwei Dosen Heineken aus der Tüte und stellte sie auf die andere Tischseite.
    »Essen Sie«, sagte er und setzte sich.
    Assmuss hatte Hunger. Er stand auf und setzte sich an den Tisch.
    Er sah zu dem Mann gegenüber.
    Er ist stärker als ich, dachte er. Er hat die Tür nicht abgesperrt.
    Ich kann ihn aber wohl kaum mit einer Bierdose niederschlagen. Aber ich könnte den Tisch umkippen.
    Und dann? Was nützte das?
    Er zog an der Handschelle und öffnete die weiße Schachtel.
    »Thaicurry«, sagte der Maskierte.
    Es roch gut. Assmuss aß.
    Nach der zweiten Dose Heineken sagte der Mann: »Wollen Sie duschen?«
    »Ich will wissen, was Sie von mir wollen.«
    »Reden.«
    »Reden?«
    »Ja.«
    »Mehr nicht?«
    »Nein.«
    »Kein Geld?«
    »Kein Geld.«
    »Über was wollen Sie mit mir reden?«
    »Über Ihr Geschäft.«
    »Über mein Geschäft?«
    »Wie Sie Ihr Geschäft betreiben.«
    »Schickt Sie Pfizer ?«
    »Nein.«
    » Boehringer ?«
    »Nein.«
    »Ein anderer Wettbewerber?«
    »Ich komme nicht von der Konkurrenz.«
    »Sie wollen wissen, wie Peterson sein Geschäft betreibt?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Sagen wir: Es interessiert mich.«
    »Und dann?«
    »Dann können Sie gehen.«
    »Einfach so?«
    »Ja. Ich werde Sie freilassen. Versuchen Sie nicht, mich zu identifizieren, zu finden, zu jagen. Dann passiert Ihnen nichts.«
    »Hören Sie. Ich bin kein Chemiker oder Forscher oder sowas. Ich bin eher Kaufmann. Ich kenne keine Rezepturen. Ich kann Ihnen keine Forschungsgeheimnisse verraten, weil ich sie nicht kenne.«
    »Mir genügt das, was Sie wissen.«
    »Mhm. Und wie lange wird das alles dauern?«
    »Bis Sie alle Fragen beantwortet haben.«
    »Und dann lassen Sie mich frei?«
    »Ja.«
    »Gibt es an der Sache einen Haken?«
    »Ja.«
    »Welchen?«
    »Wenn Sie mich belügen, stehe ich auf und gehe – und komme erst am nächsten Tag wieder zurück. Sie bleiben dann einen Tag länger hier.«
    Der Mann wollte etwas von ihm. Assmuss verstand noch nicht, an was genau der Mann interessiert war, aber es handelte sich offenbar um Informationen. Wenn er etwas von ihm wollte, dann stärkte das seine Position. Auch wenn er ihm Handschellen verpasst hatte. Sein Instinkt sagte ihm, dass er den Preis hochhandeln konnte. Er fühlte sich plötzlich wie in einer Geschäftsverhandlung, und darin kannte er sich aus.
    Assmuss war ein Verhandlungsprofi. Sein wichtigster Grundsatz dabei lautete: unwichtige Sachen zuerst. Er vereinbarte mit seinen Verhandlungspartnern stets eine Verhandlungsliste und sorgte dafür, dass die für ihn unwichtigen Verhandlungsgegenstände vorne standen und zuerst besprochen wurden. Bei diesen unwichtigen Punkten gab er immer nach. Aber erst nach einem langen Schauspiel. Es sah aus, als würde sein Gegenüber ihm diese Zugeständnisse abringen.
    Großes Schauspiel.
    Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher