Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage
Autoren: Keren David
Vom Netzwerk:
nachdem du ja als Hauptbelastungszeuge ausgesagt hast. Sie alle, Jukes, Mikey und Arron, haben gegen ihre Verurteilung Berufung eingelegt. Jede strafrechtliche Verfolgung von dir würde bedeuten, die Gefängnistore für sie weit aufzureißen.«
    »Ja, schon … aber … ich habe das alles trotzdem getan, oder? Es ist immer noch die Wahrheit. Ich muss nach wie vor mit dem leben, was ich getan habe. Nichts kann mir das abnehmen, ganz egal, wie lang und breit ihr hier argumentiert.«
    »Ty, mein Liebling –«, sagt meine Mum, aber dann fängt Alyssa zu schreien an und Mum verdreht die Augen und sagt: »Nicht schon wieder.« Ich sehe, dass sich Gran und mein Dad einen kurzen Blick zuwerfen, was sie normalerweise nicht oft tun.
    Ich zucke die Schultern. »Ich mach jetzt meine Hausaufgaben«, sage ich, und mein Dad meint: »Ich kümmere mich um den Laptop, keine Bange.«
    Ich gehe in mein Zimmer, setze mich aber nicht an den Schreibtisch, sondern lege mich aufs Bett. Ich muss noch einmal vor Gericht. Irgendein Richter wird entscheiden, was mit mir geschieht. Ich habe das Recht verwirkt, eigene Entscheidungen zu treffen. Mir ist nie so richtig klar gewesen, wie kostbar das ist.
    Dann summt das Handy in meiner Hosentasche.
    Es muss Archie sein, denn er ist der einzige, der mich anruft. Momentan habe ich überhaupt keinen Bock auf seine Sprüche und will das Handy ausschalten. Aber da steht nicht sein Name im Display. Arron ? , denke ich, und mein Herzschlag setzt einmal heftig und schmerzhaft aus. »Hallo?«, hauche ich ins Telefon.
    »Joe? Ty?«, sagt eine Stimme. Ich kann’s nicht glauben. Ich kann nicht glauben, dass sie es ist. Es ist Claire. Claire ruft mich an. Es ist Claire!
    »Claire? Wo hast du meine Nummer her? Wie geht’s dir? Claire?« Ich versuche, nicht allzu optimistisch zu klingen, aber ich merke, wie sich mein Gesicht zu einem gigantischen Grinsen verzieht und meine Hand zu schwitzen anfängt und das Handy so fest umschließt, dass es jeden Augenblick zwischen den Fingern herausflutschen kann.
    »Von Zoe … von Archie … Joe, das warst du in der Zeitung, stimmt’s? Diese Gerichtsverhandlung … In der Daily Mail von meinem Dad steht ein Interview …«
    »Das war … Ja, das war ich.«
    »Hab ich mir gleich gedacht.« Ihrer Stimme ist nicht anzuhören, ob sie mir verzeiht oder nicht. Ich bezweifle es. Es gäbe viel zu viel zu verzeihen.
    »Es tut mir leid, Claire«, sage ich. »Ich habe Ellie angerufen. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass du dich wieder ritzt, ich dachte, ich könnte vielleicht helfen. Es war … Es kam mir einfach so vor, als müsste ich es tun.«
    Claires Stimme ist leise und hoch, aber es liegt eine Kraft darin, die mich jedes Mal überrascht. »Ich war sauer«, sagtsie, »aber jetzt bin ich nicht mehr sauer. Du hast das Richtige getan. Ich brauchte Hilfe. Ellie hat mit meinen Eltern geredet und die haben mit mir geredet, und ich musste zugeben, was mit mir los ist. Es hatte wieder angefangen. Sie haben gesagt, dass ich eine Therapeutin aufsuchen muss. Eine echt nervige Frau, aber seitdem ritze ich mich nicht mehr. Ehrlich, Joe, das kannst du mir glauben.«
    »Dann hilft es also? Die Sitzungen bei der Therapeutin?« Mum hat angedeutet, dass ich vielleicht auch professionelle Hilfe brauche. Gran meint, ich soll mit einem Pfarrer von ihrer Kirche reden.
    Bis jetzt habe ich beidem widerstanden.
    »Vielleicht. Es tut gut, mit jemandem zu reden, der nichts mit meiner Familie zu tun hat. Lieber würde ich allerdings mit dir reden. Du bist … Mit dir kann ich mich einfach am besten unterhalten.«
    Wenn man sich schon so lange wie ich wie der letzte Dreck vorgekommen ist, ist es irgendwie komisch, wenn man sich plötzlich besser fühlt. Es ist so, als würde einem nach einem langen Spaziergang in eisiger Kälte auf einmal wieder warm. Alles kribbelt.
    »Danke, Claire«, sage ich leise ins Handy.
    »Ellie hat gesagt, dass du nicht angerufen hättest, wenn du dir keine Sorgen um mich gemacht hättest«, fügt sie hinzu. »Du hast gewusst, dass ich womöglich nie wieder mit dir reden würde, aber du hast dich so um mich gesorgt, dass du trotzdem angerufen hast.«
    Danke, Ellie , denke ich und sage: »Ja, es stimmt, ich mache mir Sorgen um dich.«
    »In der Zeitung steht, dass deine Aussage sehr wichtig für den Ausgang der ganzen Verhandlung gewesen sei.«
    »Claire, ich habe meinen besten Freund ins Gefängnis gebracht. Er muss sehr lange dort drin sitzen.«
    »Er hat jemanden umgebracht. Er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher