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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß
Autoren: Colin Dexter
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dann bei der Sache mit Brooks nicht entscheidend mitgewirkt haben.»
    «Hat sie auch nicht», blaffte Morse. «Sie will nur ihre Mutter schützen.»
    «Ist es nicht meist umgekehrt?»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Meist versucht doch die Mutter, ihre Kids zu schützen.»
    «Kid» war für Morse ein Reizwort wie «Szenario» für Ellie Smith, er hatte schon den Mund aufgemacht, um dagegen zu protestieren, aber dann machte er ihn wieder zu und schlug sich mit der rechten Hand an die Stirn.
    «Wann haben Edward und Brenda Brooks geheiratet?»
    «Vor zwölf Jahren, glaube ich, aber das läßt sich nachprüfen.»
    «Wann treffen Sie sich mit Armstrong-Jones?»
    «Llewellyn-Jones, Sir. Um halb neun, da ist er mit dem gemeinsamen Abendessen im College fertig.»
    «Wie nett, daß Sie bei unseren Ermittlungen Rücksicht auf seinen akademischen Tagesablauf nehmen.»
    «So war es gar nicht...»
    Morse deutete auf das Abschlußzeugnis. «Wenn Sie sagen, es sei ziemlich hart gewesen, daß Ellie Smith sich all die Jahre nicht um ihre Mutter gekümmert hat, haben Sie in gewisser Hinsicht recht. Aber sie ist gar nicht vor ihrer Mutter weggelaufen, Lewis, sondern vor ihrem leiblichen Vater.»
    «Oder sie hat einfach ihren Namen geändert.»
    «Quatsch.»

    Im Telefonbuch fand sich nur ein C. P. Taylor, der in der Abingdon Road wohnte. Morse wählte die angegebene Nummer. Ja, er sei der frühere Schulleiter der East Oxford Senior School, bestätigte der Angerufene, und sei gern bereit, Chief Inspector Morse behilflich zu sein. Heute abend? Warum nicht?

    Lewis setzte Morse («Nach Hause finde ich allein») vor einem eleganten Zweifamilienhaus in der Abingdon Road ab und fuhr zum Lonsdale College, wo er ohne viel Aufwand einen schönen Erfolg verbuchen konnte.
    Llewellyn-Jones gab unumwunden zu, daß er mit der jungen Frau, die er nur als Kay kannte, ziemlich regelmäßig Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Nie im College, meist in einem Hotel und zweimal — so auch am Dienstag, dem 6. September — in ihrer kleinen Wohnung. Er hatte den Abend mit ihr verbracht und wäre auch noch länger geblieben, doch dann war gegen halb zehn — vielleicht auch Viertel vor zehn — ein Anruf gekommen, der sie geradezu elektrisiert hatte. Sie müsse weg, er müsse weg, ein Notfall... Mehr hatte er nicht erfahren. Irgendwie hatte er den Eindruck gehabt, daß es eine Frau gewesen war, die angerufen hatte.
    Lewis bedankte sich bei dem gepflegten, dunkelhaarigen kleinen Waliser. Man würde seine Informationen selbstverständlich vertraulich behandeln.
    «Ich bin Junggeselle, Sergeant, und war sehr gern mit ihr zusammen. Ich hätte sogar... Aber sie gehört wohl zu den Frauen, die sich nicht richtig verlieben können. Bei mir hat’s jedenfalls nicht geklappt...»
    Mit einem melancholischen Lächeln verabschiedete er Lewis an der Pforte.
    Auf der Heimfahrt überlegte der Sergeant, daß Morse mit dem, was er über Ellie Smiths Beteiligung an dem Mord gesagt hatte, offenbar recht behalten sollte.

    Der Scotch, den sein Gastgeber ihm offerierte, war sehr willkommen. Zufrieden lehnte sich Morse zurück.
    «Kay Brooks? Ja, an die kann ich mich sogar sehr gut erinnern», sagte der frühere Schulleiter, ein hagerer, leicht gebeugter Mann Anfang Siebzig.
    Mit elf war sie an seine Schule gekommen, ein lebhaftes, ausgelassenes Kind mit langen dunklen Haaren und einem reizenden, kecken Lächeln. Überdurchschnittlich intelligent, besonders begabt im Zeichnen, Malen, Konstruieren. Aber irgendwann mußte es in ihrem Leben einen Knick gegeben haben. Als Teenager wurde sie sehr schwierig. Schwänzte die Schule. War mürrisch, unaufmerksam, faul. Probleme zu Hause vermutlich, aber Genaueres wußte niemand. Kays Mutter war ein paarmal bei ihm gewesen, aber...
    «Genau deshalb bin ich hier, Sir», fiel Morse ihm ins Wort. «Es ist vielleicht nicht weiter wichtig, aber Sie meinen wohl ihre Stiefmutter ...»
    «Bitte?» fragte Taylor, als ob er sich verhört hätte.
    «Edward Brooks, dessen Leiche in der Isis gefunden wurde, könnte durchaus ihr leiblicher Vater und nicht ihr Stiefvater gewesen sein.»
    «Quatsch!» (Das Wort fiel zum zweitenmal innerhalb einer halben Stunde.) «Ich kann mir schon denken, worauf Sie hinauswollen, Inspector, aber Sie irren sich. Kay hat, als ihre Mutter zum zweitenmal heiratete, den Namen ihres Stiefvaters angenommen.»
    «Ist so was üblich?» fragte Morse erstaunt.
    Taylor lächelte. «Kommt darauf an. Manche Leute würden viel dafür geben,
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