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Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)

Titel: Die Legenden der Albae: Die Vergessenen Schriften (German Edition)
Autoren: Markus Heitz
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ließ langsam nach.
    Endlich wurde er auf den Boden hinuntergelassen, man stellte ihn aufrecht hin. Die Finger blieben weiterhin um seine Arme, um seinen Hals und um seinen Oberkörper gelegt, um ihn festzuhalten. Dann fiel die Augenbinde, und er sah, wohin man ihn verschleppt hatte.
    Er befand sich am Rand eines Sumpfs, in dem sich schimmelnde Bauten verschiedenster Größe dicht an dicht drängten, mal aus Stein, mal aus Holz errichtet, und sicherlich nicht für die Unendlichkeit gedacht.
    Dazwischen lagen Planken, damit sich die Bewohner und die Karren über den schlickigen Untergrund bewegten konnten, ohne einzusinken. Hier und da sackte ein Gebäude in dem faulenden Morast ein, woanders schauten verrottende Gliedmaßen aus dem gelblichen Wasser heraus. Mückenschwärme schwirrten umher, manche Bestien waren unter den Insekten gar nicht mehr zu erkennen. Niemand kümmerte sich um die Missstände.
    Richtig auffallend dagegen waren die weißen, rätselhaft geformten Türme, die sich viele Schritte hoch über das Elend erhoben und unfassbar makellos wirkten. Die Symbole darauf waren Sinthoras fremd.
    »Wir sind in einem neuen Dhaïs Akkoor«, hörte er Caphalor neben sich flüstern.
    Erleichtert drehte er den Kopf ein wenig zur Seite, aber die Finger zwangen sein Antlitz sofort wieder nach vorne; wenigstens hatte er seinen Freund kurz erblicken dürfen. Er lebt! Dann hege ich keinen Zweifel, dass wir dem Botoiker entkommen. Er grinste. Nein, wir töten ihn. »Du warst schon mal hier?«
    »Nicht hier. Aber es ist der gleiche Moloch, wie ich ihn schon einmal sah«, erklärte er.
    »Wir nennen sie Tr’hoo D’tak«, vernahmen sie beide eine weibliche Stimme, die in der Gemeinsprache von Ishím Voróo redete. »Ich vermute, dass ihr eben über die Stadt spracht?«
    Die Botoikerin befand sich in ihrem Rücken und bewegte sich langsam auf die Lücke zwischen ihnen zu, wie Sinthoras an den Schritten vernahm. Schmuck klirrte silbern, Steinchen rieben aneinander. Sie muss leicht und zierlich sein.
    Dann erschien sie in seinem Blickfeld, gekleidet in fließende Gewänder in Dunkelgrün und Weiß. Sie sah sehr jung aus, trug ihren Schädel geschoren, mit eintätowierten weißen Schriftzeichen in der glatten Haut. Eine Kette aus Silber, versehen mit bunten Edelsteinen, prangte um ihren schlanken Hals, kleinere Kettchen gingen als Ausläufer zu den Armreifen um die Handgelenke. Das gab ihr ein wenig den Anschein einer Marionette.
    »Mein Name ist Fa’losôi aus der Familie der Nhatai«, verkündete sie und blickte zuerst Caphalor, dann Sinthoras aus ihren hellgelben Augen an. Der Diamantsplitter, der auf der Nasenwurzel inmitten eines schwarzen Ovals haftete, funkelte auf. »Und dich«, sie zeigte mit ihrem dünnen Zeigefinger auf den schwarzhaarigen Alb, »sah ich schon einmal, auch wenn es bereits viele Monde her ist.«
    Sinthoras wunderte sich im Stillen. Was hat sie mit uns vor? Umbringen wohl nicht .
    »Du täuschst dich nicht?«, fragte Caphalor.
    Fa’losôi schloss die Augen, als müsse sie nachdenken. »Nein. Ich sehe dein Gesicht genau vor mir«, antwortete sie leise. »Ich sehe jedes Gesicht der Krieger vor mir, die nach Dhaïs Akkoor kamen und die Gastfreundschaft meines Onkels in Anspruch nahmen, um ihn dann zu köpfen.« Sie hob die Lider und wandte den Kopf zu Sinthoras. »Du warst nicht dabei, aber das wird dich nicht retten.«
    Die Botoikerin ging langsam nach rechts, und die Albae wurden von den zahlreichen Händen so geschoben, dass sie sahen, wohin die Barbarin schritt: vor einen der nadelgleichen weißen Türme. Sinthoras entdeckte eine große Tür in der Höhe von etwa fünf Schritt.
    »Gerade, als meine Familie den Tod verkraftet hatte, kam vor nicht allzu vielen Monden ein einzelner, blonder Alb, ein Assassine«, erzählte Fa’losôi weiter, »und schnitt beinahe vor meinen Augen den Kopf meines Großvetters ab, um ihn mitzunehmen.« Sie legte die rechte Hand an die Kette und berührte den schwarzen Stein. »Damit nahm mir euer Volk geliebte Menschen, die sich durch nichts ersetzen lassen.« Sie schwieg und bedachte die Albae mit verächtlichen Blicken. »Was glaubt ihr, welche Empfindungen ich für jeden von euch hege?«
    Sinthoras hielt seine Zunge im Zaum, Caphalor atmete tief durch.
    »Ihr versucht, mich nicht wütend zu machen, indem ihr eine gönnerhafte oder herablassende Erwiderung unterlasst«, sagte ihnen Fa’losôi auf den Kopf zu. »Tut euch keinen Zwang an. Lacht mich aus, schmäht mich.
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