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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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wie um eine plötzliche Bewegung zu verbergen. »Dies ist etwas, das meiner Herrin Seelenstärke bis zum Äußersten ihres Namens belasten wird«, sagte er leise.
    Er ließ mich los, bückte sich unbeholfen nach Käse und Brot, die mir aus den Händen gefallen waren, wischte die beiden Stücke ab und gab sie mir wieder. Ich starrte auf den dicken Verband an seinem rechten Bein, der ihn daran hinderte, das Knie zu beugen. Er kehrte auf seinen Platz zurück und füllte seinen Krug aus einer Kanne auf dem Tisch. Während er trank, musterte er mich über den Rand hinweg.
    »Wer ist die Frau, die Chivalric geschwängert hat?« erkundigte sich ein Unvorsichtiger am anderen Ende des Tisches.
    Burrich setzte den Humpen ab und faßte den Mann ins Auge. Er ließ sich Zeit mit der Erwiderung, und ich spürte erneut das Gewicht dieses drückenden Schweigens. »Ich meine, das geht nur Prinz Chivalric an und ist keine Sache, um sich in der Küche darüber das Maul zu zerreißen«, sagte er endlich sanft.
    »Ganz recht, ganz recht«, pflichtete der Frager erleichtert bei, und Jason nickte ruckartig wie ein balzender Vogel. Jung wie ich war, fragte ich mich noch, was dies für ein Mann sein mochte, der die Macht besaß, trotz eines verletzten Beins einen Raum voll rauher Gesellen mit einem Blick oder einem Wort einzuschüchtern.
    »Der Junge hat keinen Namen«, brach Jason den Bann. »Er heißt nur ›Junge‹.«
    Auf diese Neuigkeit hin waren alle, selbst Burrich, um Worte verlegen. Die Stille dauerte an, während ich Brot und Käse und Fleisch vertilgte und mit ein, zwei Schlucken aus dem Humpen hinunterspülte, den Burrich mir reichte. Die übrigen Männer verließen nach und nach die Küche, in Gruppen zu zweien und dreien, nur er blieb sitzen, trank und schaute mich an. »Nun«, meinte er nach einer geraumen Weile, »wie ich deinen Vater kenne, wird er die Verantwortung übernehmen und recht an dir handeln. Doch Eda allein weiß, was er glaubt, daß recht ist. Wahrscheinlich, was am meisten schmerzt.« Schweigend ließ er noch eine Minute verstreichen. »Satt geworden?« fragte er schließlich.
    Als ich nickte, erhob er sich steifbeinig und stellte mich auf den Boden. »Dann komm mit, Fitz {1} «, sagte er kurz, führte mich aus der Küche und einen anderen Korridor entlang. Wegen des steifen Beins war sein Gang unbeholfen, aber vielleicht lag es auch am Bier. Jedenfalls bereitete es mir keine Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Wir gelangten zu einer Pforte und einem Posten, der uns mit einer Kopfbewegung hindurchwinkte, nicht ohne mich durchdringend gemustert zu haben.
    Draußen wehte ein kalter Wind. Eis und Schnee, die untertags zu schmelzen begonnen hatten, gewannen mit Einbruch der Nacht ihre kristalline Schärfe zurück. Der gefrorene Boden knirschte unter meinen Schritten, und der Wind schien jede winzige Öffnung in meiner Kleidung zu finden. Schuhe und Hose waren vom Herdfeuer durchwärmt worden, aber noch nicht ganz trocken, deshalb durchdrang mich sofort wieder die Kälte. Ich erinnere mich an Dunkelheit und die plötzliche Erschöpfung, die mich überfiel, eine schreckliche, weinerliche Müdigkeit, so daß ich mit bleischweren Gliedern hinter dem fremden Mann mit dem verbundenen Bein über den winterlichen, stockfinsteren Hof stolperte. Hohe Mauern umgaben uns, die Posten auf den Wehrgängen verrieten ihre Anwesenheit nur dann, wenn beim Auf- und Abgehen ihre Silhouette die Sterne am Himmel verdeckte. Die Kälte stach mir bis an die Knochen, und ich rutschte und schlitterte auf dem vereisten Pfad. Doch etwas an Burrich hielt mich davon ab, zu jammern oder ihn um Hilfe zu bitten. Statt dessen folgte ich ihm mit zusammengebissenen Zähnen. Wir erreichten ein Gebäude, und er zog eine schwere Tür auf.
    Wärme und die Ausdünstungen von Tieren und eine matte gelbe Helligkeit strömten heraus. Ein verschlafener Stallbursche richtete sich in seinem Strohnest auf und blinzelte wie ein zerrupfter junger Vogel. Auf ein Wort von Burrich legte er sich wieder hin, rollte sich zusammen und schloß die Augen. Wir gingen an ihm vorbei, nachdem Burrich die Tür zugedrückt und die blakende Laterne vom Haken genommen hatte.
    Ich folgte ihrem unsteten Schein in eine fremde Welt, eine nächtliche Welt, wo Pferde sich in ihren Boxen bewegten und Hunde den Kopf von den gekreuzten Vorderpfoten hoben, um mich mit ihren grün oder gelb fluoreszierenden Augen anzusehen. »Die Falken sind am anderen Ende«, erklärte Burrich, und ich
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