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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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er mich anstarrte, wurde sein Lächeln allmählich breiter, bis er schließlich ein schnaufendes Lachen ausstieß.
    »Verdammt will ich sein«, sagte er. »Das Bürschchen ist Chiv wie aus dem Gesicht geschnitten, stimmt's? Fruchtbare Eda! Wer hätte das gedacht von meinem illustren und tugendsamen Bruder?«
    Der Gardist gab keine Antwort, noch erwartete man eine solche von ihm. Er hatte Haltung angenommen und harrte der nächsten Befehle. Soldat durch und durch.
    Der andere Mann – Prinz Veritas – schien sich an seinem plötzlich aufgetauchten Neffen nicht satt sehen zu können. »Wie alt?« wollte er wissen.
    »Der Landmann sagt, sechs Jahre.« Der Gardist machte Anstalten, sich am Kinn zu kratzen, dann fiel ihm wieder ein, daß er im Dienst war, und er ließ die Hand sinken. »Hoheit«, fügte er hinzu.
    Der Prinz schien den Lapsus nicht bemerkt zu haben. Der Blick der schwarzen Augen wanderte über meine Gestalt, und das Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Rechnen wir noch ein Jahr hinzu, derweil sie die süße Last unter dem Herzen getragen hat. Verflucht. Ja. Das war das erste Jahr, als die Chyurda versuchten, den Paß zu besetzen. Chivalric war drei, vier Monate da oben, um ihnen gut zuzureden, damit sie uns den Weg öffnen. Scheint's war es nicht der einzige Weg, der sich ihm durch sein Zureden geöffnet hat. Donner und Doria! Wer hätte das von ihm gedacht?« Er verstummte kopfschüttelnd. »Wer ist die Mutter?« fragte er dann plötzlich.
    Der Gardist trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Das weiß ich nicht, Hoheit. Da war niemand als der alte Landmann, und er sagte nur, das wäre Chivalrics Bankert, und er hätte keine Lust mehr, ihn durchzufüttern und zu kleiden. Der ihn gezeugt hätte, sollte auch für ihn sorgen, das waren seine Worte.«
    Der Prinz tat die unergiebige Auskunft mit einem Schulterzucken ab. »Der Junge sieht nicht verhärmt aus. Eine Woche, höchstens zwei, bis die Hinde weinend an der Küchentür steht, weil sie ihr Herzblatt vermißt. Dann spätestens finde ich es heraus, wenn nicht schon vorher. Nun, Bürschchen, wie ruft man dich?«
    Sein Lederkoffer hatte eine prächtig gearbeitete Schließe in Form eines Bockskopfes. Sie schimmerte messinggelb, dann golden, dann rot, je nachdem, wie der Feuerschein sie traf. »Junge«, antwortete ich. Ich weiß nicht, ob ich nachplapperte, wie er und der Gardist mich genannt hatten, oder ob ich wirklich außer dieser Bezeichnung keinen Namen besaß. Der Prinz stutzte, und ein Ausdruck von etwas, das man für Mitleid halten konnte, huschte über seine Züge. Doch ebenso schnell war der Schatten verflogen, und nur ein leichtes Unbehagen blieb zurück. Er warf einen verlangenden Blick auf die Karte, die er bei unserem Eintritt studiert hatte.
    »Nun ja«, bemerkte er in die Stille hinein, »irgend etwas müssen wir mit ihm anfangen, wenigstens bis Chiv zurückkehrt. Jason, sieh zu, daß der Junge für's erste ein Abendessen und ein Nachtlager bekommt. Morgen werde ich mir überlegen, was mit ihm werden soll. Wir können nicht zulassen, daß königliche Bastarde in der Gegend herumstreunen.«
    »Zu Befehl, Hoheit«, sagte Jason. Zu solchen Dingen eine Meinung zu haben war nicht Sache eines einfachen Soldaten. Er legte mir schwer eine Hand auf die Schulter und setzte mich Richtung Tür in Bewegung. Ich gehorchte nur widerstrebend, denn das Zimmer war hell und behaglich. Meine kalten Füße hatten angefangen zu kribbeln, und ich wußte, noch ein paar Minuten und mir wäre schön warm. Aber die Hand des Soldaten bugsierte mich unerbittlich aus dem freundlichen Gemach zurück in das klamme Halbdunkel der tristen Korridore.
    Sie kamen mir nach der Wärme und dem Licht um so düsterer vor und endlos, während ich mit meinem Führer Schritt zu halten versuchte. Vielleicht entschlüpfte mir ein Klagelaut, oder er verlor die Geduld, denn unvermittelt fuhr er herum, packte mich und schwang mich in die Höhe, als hätte ich kein Gewicht. »Ein rechter Unglückswurm bist du«, bemerkte er ohne Groll, und dann ritt ich auf seiner Schulter den Flur entlang, Treppen hinauf und hinunter bis in die gelbe Helligkeit einer geräumigen Küche.
    Ein halbes Dutzend seiner Kameraden saß auf Bänken an einem langen, zernarbten Tisch vor einem Feuer, das doppelt so groß war wie das im Arbeitszimmer des Prinzen, aß und trank. Eine Wolke von Gerüchen schlug mir entgegen: Koch- und Bierdunst, Männerschweiß, feuchte Wolle, Holzrauch und verbranntes Fett. An
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