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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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Jahre kommt, und dazu liegt mir die Mutter von diesem hier auf der Tasche. Kein Mann will sie mehr haben, keiner, erst recht nicht, solange der Bengel ihr an der Schürze hängt. Also nehmt ihn und bringt ihn seinem Vater.« Damit ließ er mich so unvermittelt los, daß ich dem Soldaten vor die Füße plumpste. Ich setzte mich auf – soweit ich mich erinnern kann, hatte ich mir nicht weh getan – und wartete, wie es weitergehen mochte.
    Der Gardist betrachtete mich mit vorgeschobener Unterlippe, nicht mißbilligend, sondern noch im Zweifel, wie er mich einordnen sollte. »Wessen Sproß?« fragte er im Ton eines Mannes, der Informationen einholt, um einem Vorgesetzten möglichst genau Bericht erstatten zu können.
    »Chivalrics«, antwortete der alte Mann, der mir bereits den Rücken zugewandt hatte und sich anschickte, den Kiesweg hinunter zur Straße zu gehen. »Prinz Chivalric«, fügte er hinzu, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Der König-zur-Rechten. Er hat ihn gezeugt. Soll er ihn großziehen und froh sein, daß er sich einer Frucht seiner Lenden rühmen kann, wenn auch nicht vom rechten Stamm.«
    Der Gardist schaute dem alten Mann hinterher, dann bückte er sich wortlos und zog mich am Kragen zur Seite, damit er die Tür schließen konnte. Nachdem er den Riegel vorgeschoben hatte, stand er da und schaute auf mich hinunter. Keine wirkliche Verwunderung malte sich auf seinen Zügen, nur die stoische Bereitschaft des Soldaten, sich auch mit den befremdlichen Aspekten seines Dienstes zurechtzufinden. »Steh auf, Junge, und setz dich in Bewegung«, forderte er mich schließlich auf.
    Gehorsam folgte ich ihm einen Flur entlang, vorbei an karg möblierten Gemächern mit gegen die Winterkälte verbarrikadierten Fenstern, bis wir zu einer weiteren Flucht geschlossener Türen kamen, diese aus wertvollem, glänzendem Holz und mit Schnitzereien verziert. Dort blieb mein Führer stehen und überprüfte kurz den Sitz seiner Uniform. Ich erinnerte mich gut, wie er vor mir niederkniete, um mein Hemd zu richten und mir das Haar glattzustreichen – doch ob aus Gutherzigkeit, damit ich einen guten Eindruck machte, oder ob es ihm nur darauf ankam, daß sein Bündel ordentlich aussah, werde ich nie erfahren. Er stand auf und klopfte an, öffnete, ohne ein Herein abzuwarten, schob mich vor sich her ins Zimmer und schloß hinter seinem Rücken die Tür.
    Das Gemach, in dem ich mich wiederfand, war so warm wie der Flur draußen kalt und so genußvoll bewohnt wie die übrigen Räume verlassen. Ich entsinne mich an Unmengen von Möbelstücken, Teppichen und Wandbehängen, an Regale, vollgestopft mit Schreibtafeln und Schriftrollen, und alles überlagerte eine Atmosphäre anheimelnder Unordnung. Ein Feuer prasselte in dem riesigen Kamin und verbreitete außer Hitze einen aromatischen harzigen Geruch. Im rechten Winkel zum Kamin stand ein wuchtiger Schreibtisch, der Mann dahinter beugte sich mit gerunzelter Stirn über einen Stapel Papiere, die auf der Platte ausgebreitet lagen. Er blickte nicht gleich auf, deshalb hatte ich Muße, seinen wirren Schopf schwarzer Haare zu betrachten.
    Als er den Kopf hob, erfaßte er mit einem Blick seiner dunklen Augen sowohl mich als auch seinen Gefolgsmann. »Nun, Jason?« fragte er, und trotz meiner Jugend spürte ich, daß er sich resigniert in eine unerfreuliche Störung fügte. »Was hat das zu bedeuten?«
    Der Gardist beförderte mich mit einem sachten Schubs einen weiteren Schritt nach vorn. »Mit Verlaub, Prinz Veritas, ein alter Landmann hat den Jungen gebracht. Er behauptet, er wäre Prinz Chivalrics Bastard, Hoheit.«
    Einen Moment lang betrachtete mich der vielbeschäftigte Mann hinter dem Schreibtisch verständnislos, dann breitete sich etwas wie ein belustigtes Lächeln über seine Züge. Er stand auf, trat vor mich hin und stützte die Fäuste in die Hüften. Ich fühlte mich von seiner Musterung nicht eingeschüchtert, vielmehr hatte es den Anschein, als ob irgend etwas an meinem Äußeren ihm ungemeines Vergnügen bereitete. Neugierig schaute ich zu ihm auf. Er trug einen kurzen schwarzen Bart, ebenso dicht und zerzaust wie sein Haupthaar, die Wangen darüber waren wettergegerbt. Die buschigen Brauen hatte er angehoben. Sein Hemd spannte sich über dem mächtigen Brustkorb und den ausladenden Schultern, seine Fäuste waren klobig und sahen aus, als scheuten sie sich nicht, bei derber Arbeit zuzupacken. Um so auffälliger die Tintenflecken an den Fingern der rechten Hand. Während
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