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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Autoren: Katharina Orgaß
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Legenden sorgen dafür, dass unsere Herzen stark und unsere Mägen tapfer sind. Nur Lebewesen, die in Gemeinschaft leben, besitzen Legenden. Heute Abend erfüllt sich eine Prophezeiung. Ein junger Eulerich wird die Glut von Hoole bergen.“
    Man hätte eine Dunenfeder fallen hören können, so still wurde es. Nie im Leben wäre Soren auf die Idee gekommen, dass dieses Ereignis eintreffen könnte. In tausend Jahren nicht! Doch es war genau tausend Jahre her, dass König Hoole die Glut in den Vulkan geworfen und seine Seele nach Glaumora geflogen war.
    „Sobald er die Glut im Schnabel hält, werden wir beide sterben. So steht es geschrieben“, sagte Barran fast unhörbar. „Wir werden euch sicherlich fehlen, aber ihr sollt uns nicht betrauern. Dies ist eine Freudennacht. Unsere …“ Ihr versagte die Stimme.
    „Unsere Aufgabe …“, führte Boron den Satz fort, „… unsere Aufgabe auf Erden ist erfüllt. Glaux schütze euch alle!“ Die beiden Schnee-Eulen taten einen letzten Atemzug und waren tot. Ein leiser Lufthauch strich durch den Saal, als die Seelen ihre sterblichen Hüllen verließen.
    Sogleich wurden Vorbereitungen für die Abschiedsfeier getroffen. Soren kehrte in seine Höhle zurück. Seine Gefährtin, ein hübsches junges Schleiereulenweibchen namens Pellimor, abgekürzt Pelli, bebrütete ihr erstes Gelege. Letzten Sommer hatte Soren Pellimor aus einem Waldbrand in Ambala gerettet. Es war nicht gerade Liebe auf den ersten Blick gewesen. Pelli hatte sich heftig gewehrt, weil sie Soren für einen Reinen gehalten hatte, der sie entführen wollte. Aber Soren hatte sich etwas einfallen lassen, um sie von seinen guten Absichten zu überzeugen. Er hatte ein paar Verse aus dem Feuerzyklus aufgesagt.
    Und was hatte Pelli darauf erwidert? „Wirklich sehr passend!“ Um sie herum knackten und zischten die in vollem Saft stehenden, brennenden Bäume. Soren hatte Pellis Mut bewundert, sich gegen ihn zu wehren. Und es hatte ihm auch gefallen, dass ihr selbst in Lebensgefahr noch ein witziger Spruch einfiel.
    Pelli konnte viele Legenden auswendig, aber sie hatte nie lesen gelernt. Soren brachte es ihr bei und sie war eine gelehrige Schülerin. Die beiden verbrachten viele Stunden über den Büchern in der Bibliothek. Ganz allmählich hatte sich ihre gemeinsame Liebe zur Dichtung in Liebe zueinander verwandelt.
    „Tut sich schon was?“, fragte Soren nun.
    „Nein.“
    „Soll ich dich mal ablösen?“
    „Auch nein. Kümmere dich lieber um das, was dich beunruhigt.“
    „Warum glaubst du, dass mich etwas beunruhigt?“
    „Das sehe ich dir an. Jedes Mal, wenn du beunruhigt bist, zupfst du nervös an deinem Backbordflügel herum. Also – was ist los?“
    „Vor ihrem Tod hat Barran etwas Seltsames gesagt: ‚Sobald er die Glut im Schnabel hält, werden wir sterben. So steht es geschrieben.‘ Ich finde aber keine solche Stelle in den Legenden! Und das beunruhigt mich. Ich weiß nicht, was uns bevorsteht.“
    Mrs Plithiver schlängelte sich in die Höhle. „Du bist ja die reinste Schlange, Soren, bei deinen Vorahnungen!“ Blindschlangen waren für ihre außerordentliche Empfindsamkeit bekannt. „Auch ich habe das Gefühl, dass uns etwas Bedeutsames bevorsteht“, fuhr die alte Nesthälterin fort. „Ich spüre schon die Hitze, die von der Glut ausgeht. Fliegt hoch in den Wipfel, ihr beiden. Ich halte euer Gelege warm.“
    Soren wusste aus Erfahrung, dass Widerspruch bei Mrs Plithiver zwecklos war.
    Doch Pelli protestierte: „Aber Mrs P. …“
    „Husch – runter vom Nest!“
    Mrs Plithiver glitt auf das Gelege und ringelte sich so geschickt zusammen, dass keins der drei Eier kalt wurde. Mein kleiner Soren wird Vater , dachte sie. Es schien schon ewig her zu sein, dass sie im Wald von Tyto bei seinen Eltern als Nesthälterin gearbeitet hatte. Damals hatte Sorens Bruder Kludd das flugunfähige Küken aus dem Nest gestoßen. Und jetzt hat Soren bald selbst Kinder – drei temperamentvolle kleine Töchter. Mrs P. spürte nämlich, dass es weibliche Küken waren, die aus den drei Eiern schlüpfen würden.
    Soren und Pelli flogen in den Wipfel des Großen Baumes empor und setzten sich zu Ezylryb. Es war eine mondlose Nacht.
    „Willkommen“, sagte Ezylryb.
    „Guten Abend“, erwiderte Pelli. „Und guten Abend Oktavia.“ Die beleibte türkisfarbene Schlange, Ezylrybs alte Freundin und Nesthälterin, hatte sich um einen benachbarten Ast gewickelt.
    „Wie geht’s dem Gelege?“, erkundigte sich
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