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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht
Autoren: Katharina Orgaß
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Oktavia.
    „Wie soll’s dem Gelege schon gehen?“, brummelte Ezylryb. „Eier sind furchtbar langweilig. Erst wenn die Küken geschlüpft sind, wird’s spannend.“
    „Dich habe ich nicht gefragt, also halt gefälligst den Schnabel“, konterte Oktavia.
    Der Kreischeulerich und die Schlange neckten einander, als wären sie ein altes Paar und gehörten derselben Tierart an.
    Soren beteiligte sich nicht an dem Geplänkel. Er hielt den Blick auf den Horizont über dem Meer gerichtet. Ein kleiner Lichtpunkt bewegte sich über den kohlschwarzen Himmel. Fiel den anderen denn nichts auf? Es war ein farbiger Lichtpunkt, falls ihm seine Augen keinen Streich spielten. Soren breitete die Flügel aus und stieß sich von dem Ast ab.
    „Wo willst du denn hin?“, rief Pelli ihm nach.
    Ezylryb legte ihr den Flügel um die Schulter. „Lass ihn ruhig, Pelli. Es ist schon in Ordnung, dass Soren ihn empfängt.“
    „Welchen ‚ihn‘? Ich sehe niemanden.“
    „Hauptsache, Soren sieht ihn. Soren sieht die Glut leuchten.“
    Soren kämpfte gegen den stürmischen Wind an. Mit jedem Flügelschlag kam er dem farbigen Glühen näher. Es sah wunderschön aus, genau so, wie es in den Legenden beschrieben wurde. Die Glut von Hoole schien Soren förmlich anzuziehen. Überschwängliche Freude erfüllte ihn. Inzwischen war er so dicht daran, dass er die Umrisse von drei Eulen erkannte. Die eine Eule war Otulissa, die zweite musste nach ihrem Flugmuster eine Maskenschleiereule sein und in der Mitte flog eine Tyto alba wie Soren selbst. Soren sträubte lauschend den Gesichtsschleier. Ja, auch der Herzschlag der mittleren Eule klang nach Tyto alba .
    Immer näher kamen die drei Eulen. Soren nahm nichts anderes mehr wahr. Verstummt waren für ihn das Tosen des Hoolemeers und das Brausen des Windes. Er hörte nur noch die beinahe lautlosen Flügelschläge der fremden Tyto alba.
    Soren musste an seine Eltern denken. Er staunte selbst, dass er sich nach so vielen Jahren noch an ihre Fluggeräusche erinnerte. Die Flügelschläge der fremden Eule hörten sich ganz genauso an. Nun konnte er endlich auch ihr Gesicht erkennen. Der fremde Eulerich trug die Glut von Hoole im Schnabel. Sie leuchtete prächtig rot und blau, gelb und grün. Als Soren die Narbe auf dem Gesicht des Fremden sah, erschrak er, aber es kam schließlich nicht auf das Äußere an. Wenn Soren genau hinhörte, vernahm er das leise Pulsieren eines tapferen Magens und das Pochen eines liebevollen Herzens. Da wusste Soren, wen er vor sich hatte. Der Eulerich war der Sohn eines Tyrannenpaars, doch er hatte den Edelmut seiner Großeltern geerbt. Sein Charakter war über jeden Zweifel erhaben.
    Coryn ließ die Glut in Gwyndors Behälter fallen und Soren flog zu Otulissa.
    „Darf ich dir deinen Neffen vorstellen?“, sagte Otulissa. „Das ist Coryn, König von Ga’Hoole.“
    „Es ist mir eine Ehre, Onkel Soren.“
    Soren standen Tränen in den Augen, als er nun neben seinen Neffen flog. „Oh nein, die Ehre ist meinerseits. Du hast vollbracht, was keiner anderen Eule je gelungen ist. Und damit meine ich nicht nur, dass du die Glut von Hoole aus dem Vulkan geborgen hast.“
    Coryn blinzelte erstaunt.
    „Du bist mitten unter den Bösen geschlüpft, aber du hast das Gute gewählt. Du wurdest zum Unterdrücker erzogen, aber du knechtest niemanden. Man hat dir Grausamkeit vorgelebt, aber du hast dich für Mitgefühl entschieden. Du bist unter Ehrlosen aufgewachsen, aber du hast ein Gefühl für Ehre entwickelt. Du bist mein Neffe und mein König.“
    „Und du bist mein Onkel und mein Held. Aber ich habe noch viel zu lernen. Willst du mein Lehrer sein? Dann trage zusammen mit mir die Glut zum Großen Baum.“ Gwyndor überließ Coryn und Soren den Glutbehälter.
    Den Eulen von Ga’Hoole, die sich in der Krone des Großen Baumes versammelt hatten, bot sich ein ungewöhnlicher Anblick. Zwei Schleiereulen kamen angeflogen, die zwischen sich einen Glutbehälter trugen. Doch je näher sie kamen, desto durchsichtiger wurde die Wand des Behälters. Schließlich konnte man hineinschauen, als wäre die Wand aus Glas. Die Glut von Hoole tauchte den Großen Baum, ja die ganze Insel, in ihren farbigen Schein.
    Eglantine hielt es nicht mehr aus. Sie flog ihrem Neffen und ihrem Bruder entgegen.
    „Willkommen im Großen Baum, Euer Majestät. Ich bin Eure Tante Eglantine.“
    „Dann darf ich Tante zu dir sagen und du sollst mich Coryn nennen.“
    Eglantine machte große Augen.
    „Ja, bitte nenn mich
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