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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft
Autoren: Kathryn Lasky
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hier im Baum lebe, pflücke ich immer wieder ein paar Beeren. Die weißen stammen aus dem Winter, die silbernen gab’s im Frühling und die goldenen im Sommer. Ich will mir eine Kette daraus machen. Wenn du willst, bastle ich dir auch eine.“
    Eglantine ging nicht darauf ein.
    „Ihr Zustand ist noch schlimmer als Mondwirrnis“, raunte Soren Gylfie zu.
    Die Elfenkäuzin war ratlos. Soren tat ihr schrecklich leid. Sie wusste ja, wie er sich nach seinem Schwesterchen gesehnt hatte. Aber Eglantine in diesem Zustand zu sehen, war fast schlimmer, als sie nie mehr wiederzubekommen. Das hätte Gylfie natürlich nie ausgesprochen. In diesem Augenblick steckte Otulissa den Kopf in die Höhle.
    „Darf ich reinkommen?“
    „Klar“, sagte Soren.
    „Ich war die ganze Zeit in der Bibliothek und habe Bücher über Tytos gewälzt, weil ich eine Erklärung dafür gesucht habe, dass die geretteten Küken alle Tytos sind und immerzu über Tytos reden, aber dann habe ich mich in einem anderen Buch festgelesen. Die Verfasserin ist eine Fleckenkäuzin von sehr vornehmer Abstammung und sie schreibt über den Verstand, die Gefühle und die Muskelmägen von Eulen.“
    „Gütiger Glaux!“ Morgengrau würgte ein Gewölle hoch und spuckte es in Richtung Höhleneingang. „Mal wieder eine Verwandte von dir, was, Otulissa?“
    „Davon gehe ich aus. Unter meinen Vorfahren waren viele bedeutende Gelehrte und unser Geschlecht ist uralt. Wie dem auch sei, in dem Buch wird eine Krankheit namens ,Magenstarrkrampf‘ beschrieben. Es könnte sein, dass deine kleine Schwester daran leidet, Soren. Beim Magenstarrkrampf stellt der Muskelmagen seine Arbeit ein und lässt nichts mehr durch. Das kann sich auf das Gehirn auswirken und eine Fehlschaltung auslösen.“
    „Gut zu wissen“, erwiderte Soren bitter. „Und was in Glaux’ Namen soll ich dagegen tun?“
    „Na j a … als o …“ Otulissa kam ins Stottern. „Ich weiß auch nich t … ich dachte, du wüsstest gern die Ursache dafür, dass dich deine Schwester nicht erkennt und so weiter. Sie macht das nicht absichtlich, sie kann nichts dafür. Si e …“ Otulissa verhedderte sich abermals, „ … si e … ich meine, sie hat dich bestimmt noch genauso lieb wie früher.“
    Sorens Miene war ungerührt.
    „Verflixt!“ Otulissas Augen füllten sich mit Tränen. „Ich wollte nu r … ich hab’s doch nur gut gemeint!“
    Soren nickte knapp, wandte sich ab und lockerte mit dem Schnabel Eglantines Dunenlager auf.
    Als an jenem Morgen das Dunkel dem ersten Hell und dann der grellen Mittagssonne wich, in jenen heißen, trägen Stunden, da abgesehen vom Gebrabbel der geretteten Eulenküken drückende Stille herrschte, fühlte sich Soren so einsam wie noch nie. Er fühlte sich noch einsamer als in jener schrecklichen Nacht, als ihn sein Bruder Kludd aus dem Nest gestoßen hatte und er auf der Erde gekauert und sich vor Räubern gefürchtet hatte, noch einsamer als im Sankt-Ägolius-Internat für verwaiste Eulen, noch einsamer als in jenem Augenblick, da er es aufgegeben hatte, sich Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit seiner Familie zu machen. Gut, er hatte Eglantine endlich wiedergefunden, aber war seine Schwester noch dieselbe?

Krämer-Ellie

    Soren hatte sich lange auf den Besuch von Krämer-Ellie mit ihren Waren gefreut. Jetzt aber ließ es ihn völlig kalt. Als die anderen Eulen an jenem Abend voller Vorfreude aufstanden, weil die Elster bald eintreffen sollte, war Soren der Einzige, der sich nicht freute. Nur die Nesthälterinnen interessierten sich genauso wenig für die Elster. Elstern galten bei ihnen als fast so verabscheuungswürdige Schleimpupser wie Möwen.
    Soren hatte vor, Eglantine zu Krämer-Ellie mitzunehmen, auch wenn er bezweifelte, dass sie einen Funken Interesse für die Waren der Elster aufbringen würde. Aber Ellie würde den ganzen Abend bleiben, Soren brauchte sich nicht zu beeilen.
    Die Elster verspätete sich. Niemand war darüber so empört wie Madame Plonk. Soren konnte in seiner Schlafhöhle hören, wie sie mit einigen anderen Eulen auf einem höher gelegenen Aussichtsast wartete und ungeduldig ausrief: „Wenn diese Elster ein Mal im Leben pünktlich ist, fresse ich meine Harfe!“ Die Sängerin steigerte sich immer mehr in ihren Ärger hinein. „Sie hat überhaupt kein Zeitgefühl! Von wegen Abend, das erste Dunkel ist gleich da!“ Doch da erklang auf einmal von fern ein melodisches Getriller.
    „Sie kommt!“, rief jemand und alle brachen in Freudenrufe aus.
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