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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft
Autoren: Kathryn Lasky
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beiden überhaupt noch lebten? Soren verfiel in bedrücktes Schweigen. Mr s P. entging das nicht.
    „Komm doch nachher noch einmal bei mir vorbei, Schatz, und schildere mir dein Abenteuer ausführlich.“
    „Mach ich, Mr s P.“, entgegnete Soren geistesabwesend.
    Aber er tat es nicht. Er war viel zu müde von dem Flug und der Arbeit im Feuer. Er wollte nur noch schlafen. Er hörte nicht einmal mehr Madame Plonks berückenden Gesang. Dabei wurde die Stimme der Schnee-Eule an diesem Morgen von ganz besonders perlenden Harfenklängen untermalt, denn Mr s Plithiver schnellte geschickt auf der Ges-Saite entlang, streckte sich um eine Oktave und schlug die Töne klar und harmonisch an. Madame Plonk war mit ihrer Entscheidung sehr zufrieden. Die meisterhafte Anschlagtechnik dieser Mr s P. passte tatsächlich hervorragend zu ihrer eigenen unvergleichlichen Singstimme.
    Das alles verschlief Soren. Vielleicht träumte er von seiner kleinen Schwester, aber wahrscheinlich war er sogar zum Träumen zu müde.

Kükenalarm

    Während Soren tief und fest schlummerte, segelte Morgengrau durch die Abenddämmerung. Mit ihm flogen Primel und Digger. Digger als Mitglied der Kundschafterbrigade übernahm die Bodenarbeit und achtete auf verräterische Gewölle, Dunenfedern, verletzte oder gar tote Küken. Primel, die wie Morgengrau Mitglied der Rettungsbrigade war, hielt sowohl in der Luft als auch dicht über dem Boden Ausschau nach Feinden, und Morgengrau erledigte die schwerste körperliche Arbeit. Er hob die Eulenküken vom Boden auf und beförderte sie nach Möglichkeit wieder in ihre Nester.
    Barran hatte die Unternehmung als „Routineflug“ angekündigt, doch das Ganze hatte sich anders entwickelt. Die ersten Kundschaftertrupps hatten etliche am Boden hockende Eulenkinder gemeldet, hatten aber keine Nester in der Nähe entdecken können. Anfangs dachten die Retter noch, die halb erfrorenen, verängstigten Jungvögel könnten sich eben nicht mehr erinnern, von welchen Bäumen sie gefallen waren. Doch später stellte sich heraus, dass sich in den umstehenden Bäumen gar keine Bruthöhlen befanden. Wo kamen die Küken dann her? Waren sie entführt worden und den Entführern unterwegs durch die Krallen gerutscht? Aber warum hatten die Häscher aus Sankt Ägolius sie dann nicht wieder eingesammelt? Es war wirklich rätselhaft. Merkwürdig war auch, dass es sich ausschließlich um junge Schleiereulen handelte, auch wenn sie nicht alle wie Soren der Unterart Tyto alba angehörte n – es waren auch Maskenschleiereulen, Kapgraseulen und Rußschleiereulen darunter.
    Morgengrau behielt abwechselnd Digger unten am Boden und die über ihm fliegende Primel im Blick. Er hatte seine Kampfkrallen eingeklappt, da keine Eulen aus Sankt Ägolius in der Nähe zu sein schienen, außerdem wollte er die Küken, die er trug, nicht damit verletzen. Ein anderer Bartkauz flog in voller Rüstung über ihnen Streife. Morgengrau und er wechselten sich ab.
    Die Mitglieder der Rettungsbrigade arbeiteten immer paarweise. Eine Eule war bewaffnet, um mögliche Angreifer abzuwehren, die andere rettete die aus dem Nest gefallenen Küken. Anschließend wurden sie zu einer großen Baumhöhle gebracht, die als Sammelstelle diente und von einer von Barrans Gehilfinnen beaufsichtigt wurde. Verletzte Jungvögel wurden dort entsprechend versorgt, ehe sie in den Großen Ga’Hoole-Baum gebracht wurden. Wenn genug Küken zusammengekommen waren, flog ein Trupp mit ihnen los. Weil es diesmal ungewöhnlich viele waren, hatte man Verstärkung angefordert. Es wurden mehr Retter gebraucht, mehr Helfer in der Sammelstelle, mehr Suchkräfte am Boden. Die Aktion war völlig ausgeufert. Noch nie hatten sie so viele hilfsbedürftige Küken retten müssen. Wo waren ihre Eltern? Ihre Bruthöhlen? Sie schienen einfach vom Himmel gefallen zu sein.
    Morgengrau entdeckte ein auf der Erde kauerndes Rußeulenkind. In der Dämmerung war es für Eulen am schwierigsten, etwas auf dem Boden zu erkennen, besonders eine junge Rußeule, die weder richtig schwarz noch richtig weiß, sondern grau und im Zwielicht hervorragend getarnt war. Aber es war ja Morgengraus besondere Begabung, dass er auch um diese Tageszeit noch scharf sehen konnte. Er vergewisserte sich noch einmal, dass er die Kampfkrallen eingeklappt hatte, dann ging er in den Sinkflug. Hoffentlich war das Kerlchen da unten noch am Leben.
    Er stupste das Küken behutsam mit dem Schnabel an. Das kleine Herz klopfte jedenfalls. Als er das
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