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Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Die Legende der Wächter 1: Die Entführung

Titel: Die Legende der Wächter 1: Die Entführung
Autoren: Kathryn Lasky
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weniger allein aufgewachsen. Die harte Schule der Waisen, Sie wissen schon. Hab nicht so feine Umgangsformen wie die beiden.“
    „Ach, weißt du, junger Mann, gute Umgangsformen kann man ohnehin nicht lernen. Die hat man schon, wenn man schlüpft, oder man hat sie eben nicht.“
    Morgengrau machte ein verdutztes Gesicht und wich ein Stück zurück.
    „Bitte machen Sie sich keine Sorgen, Mr s P.“, fuhr Soren fort, „ich habe meinen Freunden erklärt, dass in meiner Familie grundsätzlich keine Schlangen gefressen werden und dass ich von den beiden erwarte, sich ebenfalls an diese Regel zu halten.“ Morgengrau und Gylfie nickten feierlich.
    „Das ist schön. Dann werden wir uns sicherlich gut verstehen.“
    „Mr s P. möchte uns begleiten. Ich kann sie auf dem Rücken tragen.“
    „Wo bekomme ich bloß eine Empfehlung her, wenn ich tatsächlich eine andere Stellung finde?“, überlegte die Blindschlange halblaut.
    „ Ich könnte Sie doch weiterempfehlen“, schlug Soren vor.
    „Warum nicht? Vielleicht gilt ja das Wort eines Jungvogels genauso viel wie das der Altvögel, auch wenn ich natürlich schon lange bei deinen lieben Eltern gearbeitet habe, bevor du geschlüpft bist. Ach j a …“ Die Blindschlange seufzte tief.
    „Nun werden Sie mal nicht rührselig, Gnädigste. Wir haben noch ’nen langen Flug vor uns“, mischte sich Morgengrau energisch, aber nicht unfreundlich ein.
    „Gewiss, gewiss. Entschuldigt bitte.“ Ein leises Beben ging durch Mr s Plithivers Leib, als wollte sie alle trüben Gedanken abschütteln. Fast sah es aus, als wollte sie sich häuten.
    Womöglich hatte Morgengrau den Eindruck, dass er zu grob gewesen war, denn er setzte hinzu: „Ich kann Sie aber auch tragen, Mr s P. Ich bin größer als du, Soren, ich werde ihr Gewicht kaum spüren.“
    „Ihr beide seid so lieb zu mi r …“, sagte Mr s P.
    „Leider kann ich mich Ihnen nicht zur Verfügung stellen“, warf Gylfie ein. „Ich wiege wahrscheinlich ungefähr genauso viel wie Sie. Auch wenn es mir Freude machen würde, unterwegs mit Ihnen zu plaudern.“
    „Wie reizend! Ich habe immer gehört, dass Elfenkäuze sehr anregend plaudern können.“
    Morgengrau blinzelte und brummelte etwas über kleine Eulen mit großem Schnabelwerk.
    „Aber ich sag’s offen, meine Liebe, es steht einer gewöhnlichen Nesthälterin wie mir nicht zu, mit einer Eule deines Standes zu plaudern.“
    Soren hielt es nicht mehr aus. „Bitte hören Sie damit auf, Mr s P!“
    „Womit denn, mein lieber Junge?“
    „Damit, dass Ihnen irgendwas nicht zusteht und wir Eulen von Stand sind und so weiter. Jetzt sind wir alle gleich. Es gibt keine Standesunterschiede mehr, keine Nester, die man sauber halten muss, keine Angestellten. Wir sind alle drei Waisen. Wir haben Schlimmes durchgemacht. Die Welt ist nicht mehr dieselbe. Dazu gehört auch, dass es zwischen Ihnen und uns keinen Standesunterschied mehr gibt.“
    „Sag so etwas nicht, mein lieber Junge. Herrschaften und Personal wird es immer geben. Meinesgleichen steht seit Generationen im Dienst deines Geschlechts. Das ist nichts, dessen man sich schämen müsste, sondern eine höchst ehrbare Stellung.“ Soren merkte, dass es zwecklos war, ihr zu widersprechen.
    So schwang sich die kleine Eulenschar abermals in die Lüfte, wobei sich Mr s P. wieder um Sorens Schultern ringelte. Der Mond stand immer noch hoch am Himmel, doch umgab ihn jetzt ein dunstiger Saum.
    „Nein, ist das wundervoll, Soren! Ich bin im Fernen! Ist das zu glauben? Und wie du fliegen kanns t – unglaublich!“ Mr s Plithivers Zischelstimme überschlug sich beinahe vor Begeisterung.
    „Halten Sie sich gut fest, Mr s P., ich muss eine Kurve fliegen.“ Eigentlich bestand gar keine Notwendigkeit für dieses Manöver, aber Soren wollte Mr s Plithiver unbedingt vorführen, wie elegant er die Richtung wechseln konnte. Anschließend vollführte er gleich noch eine Kurve, damit er wieder in dieselbe Richtung flog wie seine Gefährten.
    „Ach, der Ferne, der Ferne!“, rief Mr s P. immer wieder aus. „Ich bin tatsächlich droben im Fernen!“ Ihr Jubelruf war von melodischem Zischen begleitet, und Soren kam es vor, als leuchteten die Sterne doppelt so hell.
    Morgengrau hatte Recht, es gab wirklich nichts Schöneres als einen Wüstenflug. Der mondlose Nachthimmel war nicht richtig schwarz, sondern eher dunkelblau, man sah unzählige Sterne funkeln. Es war zwar kalt, aber hier und dort wallte die Wärme von den aufgeheizten Sanddünen
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