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Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)

Titel: Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
Autoren: Torsten Thiele
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trat vor das Tribunal. Er trug ein prunkvolles Gewand aus feiner Seide, selbst das offizielle Siegel des Großwesirs hing um seinen Hals. Derart herausgeputzt war Houst eine eindrucksvolle Erscheinung.
    „Als Beseelter fordere ich das Recht der letzten Gnade“, begann er.
    „Das Recht der letzten Gnade? Mit was für einem abstrusen Winkelzug versucht Ihr Euren Kopf zu retten?“, unterbrach ihn Kolat
    „Das Recht der letzten Gnade ist noch älter als der Schwur des Blutrichters. Es stammt aus den Anfängen des Königreichs, aus der Zeit der Bruderkriege. Den unterlegenen Beseelten stand die Gnade zu, fortan in der Einöde zu leben. Dies ist noch immer in unseren Gesetzen verzeichnet, wenn auch seit ewigen Zeiten nicht mehr angewandt. Ich fordere es nun ein. Ich werde in die Einöde ziehen“, sagte Houst.
    ***
    Als Nomo in Housts Arbeitszimmer trat, saß er tief über ein paar vergilbte Blätter Papier gebeugt hinter seinem Schreibtisch. Sie hatte lange mit sich gerungen, ihren Onkel noch einmal zu besuchen. Er hatte sie entführen lassen, er hatte es zugegeben. Der Gedanke daran schmerzte. So richtig glauben konnte Nomo es noch immer nicht. Hatte ihre Mutter am Ende doch recht? War Houst ein verlogener, kalter Mann, seine schon väterliche Liebe nur gespielt? War sie selbst nur zu naiv gewesen, es zu erkennen? Nomo wollte Antworten auf diese Fragen, deshalb war sie gekommen.
    Houst schaute von seinen Schriften auf. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, erstarb aber sofort wieder, als er Nomos finsteren Gesichtsausdruck bemerkte.
    „Ich kann verstehen, dass du wütend bist“, begann Houst anstatt einer Begrüßung, „Aber manchmal tun Menschen Dinge, die sie später bitter bereuen“
    „Es ist mir egal, ob es dir leid tut. Das ist doch auch nur wieder gespielt. Ich will wissen warum? Warum hast du mich entführen lassen?“, fragte Nomo.
    „Ich wollte dich schützen“, antwortete Houst.
    „Mich schützen? Und dafür musstest du mich in die Einöde verschleppen? Ich habe dir vertraut Onkel. Ein Wort von dir und ich wäre bis ans Ende der Welt gegangen. Warum hast du nicht mit mir gesprochen? Welche Gefahr war derart schlimm, dass ich nichts davon erfahren durfte?“, wollte Nomo wissen.
    „Du bist die Tochter des Königs …“, begann Houst.
    „Mein ganzes Leben bin ich die Tochter des Königs! Was hat sich daran geändert? Warum jetzt?“, unterbrach ihn Nomo aufgebracht.
    „Lass mich ausreden, Nomo“, sagte Houst.
    „Ich bin kein kleines Kind mehr, dem man den Mund verbietet“, erwiderte Nomo.
    „Richtig, du bist mittlerweile eine junge Frau. Jetzt weißt du auch, was sich geändert hat. Das Kind Nomo konnten unsere Feinde noch ignorieren, die Frau Nomo nicht mehr. Einige arbeiten offen gegen uns, gegen dich. Isi zum Beispiel macht keinen Hehl daraus, dass sie dich lieber heute als morgen im Totenfeuer sehen würde. Aber viele arbeiten subtiler, im Verborgenen. Ich wollte wissen, wer für und wer gegen uns ist“, sagte Houst.
    „Das erklärt noch lange nicht, warum du mir nichts gesagt hast. Warum eine Entführung? Warum habe ich nicht einfach eine Reise an einen sicheren Ort gemacht? Warum mit Gewalt? Warum gegen meinen Willen? Du hast mich von diesem Esrin aus dem Palast schleifen lassen“, beschwerte sich Nomo.
    „Es tut mir leid“, entschuldigte sich Houst.
    „Das ist alles? Keine Antworten? Nicht einmal jetzt vertraust du mir. Ich bin keine deiner Spielfiguren, die du einfach so hin und her schieben kannst. Von mir aus kannst du in der Einöde vertrocknen“, schrie Nomo ihren Onkel an.
    Dann drehte sie sich um, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen und stürmte aus dem Zimmer.
    „Nomo …“, rief ihr Houst hinterher.
    Nomo drehte sich nicht einmal um. Houst stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und verbarg das Gesicht in seinen Händen. Ein wegen dem Geschrei herbeigeeiltes Zimmermädchen schloss leise die Tür.
    ***
    „Euer Bruder geht also in die Einöde. Er zieht einen langsamen Tod dem schnellen vor“, sagte der unauffällige Mann.
    Der König traf ihn in dem kleinen geheimen Zimmer, von dessen Existenz nicht einmal Houst etwas wusste. Er könnte Houst hier verstecken, niemand würde etwas merken. Wenn er ihn heimlich aus der Einöde zurückbringen ließ … Der König könnte weiterhin auf seinen Rat bauen und Houst bliebe die Einöde erspart. Für einen Moment spielte der König mit diesem Gedanken, entwarf schon den Plan, wie er Houst unbemerkt
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