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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Autoren: Ruth Dugdall
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überhaupt kein Recht hatte. Und jetzt glaubt er, nachts, wenn er im Internat Aufsicht hat, käme mich jemand besuchen. Angeblich fallen ihm irgendwelche Dinge auf.«
    Es war wirklich erstaunlich, mit welchem Geschick sie ihre Rolle spielte.
    »Er leidet an Wahnvorstellungen«, fuhr sie fort. »Ich werde ihn anrufen und mit ihm reden.« Mit leidender Miene rappelte sie sich auf.
    »Mach dich erst mal ein bisschen frisch«, riet ich ihr. »Ich setze mich solange mit Luke ins Wohnzimmer.
    Unten im Flur hörte ich Emmas Handy klingeln und dann ihre eiligen Schritte in Richtung Schlafzimmer. Ich blieb stehen und spitzte die Ohren.
    »Hallo? … Ja, Emma Hatcher am Apparat … Nurse Hall? … Danke, und wie geht es Ihnen? … Ja, Luke macht sich prächtig …«
    Ich tappte zur Haustür und zog sie leise auf. Oben wurde geschwiegen.
    Dann sagte Emma: »Sicher, Rose hängt sehr an dem Jungen.«
    Ich drückte Luke an mich, trat ins Freie und rannte los.

51.
     
    Cate stieg auf die Bremse. Vor ihr überquerte eine Gruppe Studenten die Straße, die plauderten und lachten, ohne nach links und rechts zu sehen. Wenig später entdeckte sie eine Parklücke und hielt darauf zu. Ihre Hände waren feucht vor Schweiß. Bei ihrem ersten Besuch hatte Jason wegen einer verschütteten Tasse Kaffee die Fassung verloren, bei ihrem zweiten hatte er ihr das Kinderzimmer gezeigt – an den Ausgang dieses dritten Besuchs mochte Cate gar nicht denken.
    Um zehn Uhr, wenn die Bewährungskommission tagte, wollte sie zurück im Gefängnis sein, was bedeutete, für das Gespräch mit Jason blieb ihr bestenfalls eine knappe halbe Stunde. Sie drückte auf die Klingel. Gleich darauf stand Jason vor ihr, mit wirrem Haar und verknittertem T-Shirt. Offenbar hatte er bis eben noch im Bett gelegen.
    »Ich hoffe, ich bin nicht zu früh.«
    »Kommen Sie einfach rein. Ich mache uns einen Kaffee.«
    Diesmal war die Wohnung wieder unaufgeräumt. Auf dem Sofatisch lagen zusammengedrückte Bierdosen, der Aschenbecher war randvoll mit Zigarettenstummeln.
    Jason kam mit zwei Bechern Kaffee aus der Küche, schob den Müll beiseite und stellte die Becher ab. »Heute fällt also die Entscheidung«, sagte er im Hinsetzen.
    Cates Magen verkrampfte sich. »Allerdings.« Sie bemühte sich um eine professionelle Miene. »Die Kommission tagt um zehn. Alle Unterlagen sind vollständig.«
    »Ich dachte, allein Ihr Gutachten sei ausschlaggebend.«
    Cate setzte sich hin. »Nicht nur. Aber dass jemand bei einem negativen Bewährungsgutachten freigelassen wird, ist eher selten.«
    »Also dann.« Jason trank einen Schluck Kaffee. »Raus mit der Sprache.«
    Cate holte tief Luft. »Ich habe mich dagegen ausgesprochen und empfohlen, dass Rose in Haft bleibt.«
    »Wie bitte?« Jason knallte seinen Becher auf den Tisch. Der Kaffee schwappte über.
    »Ich weiß, dass Sie mit etwas anderem gerechnet haben.«
    »Ja aber … warum? Wieso kommt sie nicht frei?«
    Cate rückte von ihm ab. »Weil ich nicht glaube, dass Rose Lukes Tod bereut. Die Rolle, die sie dabei gespielt hat, hat sie noch immer nicht akzeptiert.«
    »Weil sie nichts getan hat«, brach es aus ihm hervor. »Rose hat das Feuer nicht gelegt. Wie oft muss ich Ihnen das denn noch sagen?«
    »Es wurde von ihrer Zigarette ausgelöst.«
    »Wie können Sie das einfach so behaupten? Rose ist unschuldig, sie hat vier Jahre lang wegen nichts im Gefängnis gesessen.«
    »Wegen nichts? Rose hat eine Frau verfolgt und einen Brand verursacht, in dem ein Kind umgekommen ist. Ich würde das nicht als ›nichts‹ bezeichnen.«
    »Sie irren sich, aber was ich sage, scheint ja nicht zu zählen.« Mit zitternder Hand griff er nach dem Kaffeebecher.
    Cate nahm ihre Aktentasche auf. »Die letzte Entscheidung fällt die Bewährungskommission. Ich wollte Ihnen lediglich mitteilen, wie ich den Fall beurteilt habe.«
    »Ich möchte, dass Sie jetzt gehen.«
    »Jason, ich …«
    »Ich habe gesagt, Sie sollen verschwinden.«
    Cate stand auf. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. Jason hielt das gerahmte Foto seines Sohns in der Hand und sah Cate mit tränenblinden Augen an.
    »Sie wissen nicht, was Sie da getan haben«, flüsterte er.

52.
     
    Eintrag in mein schwarzes Buch
     
    Es ist zehn Uhr morgens. Die Bewährungskommission tagt. Vor den Mitgliedern liegen die Berichte über mich. Sie sind dabei, meinen Fall zu besprechen. Ich habe gelesen, was Officer Callahan über mich geschrieben hat. Aber wie Cates Gutachten ausgefallen ist, weiß ich
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