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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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waren, wurden scheu und zurückhaltend, nachdem sie von Joels Tod erfahren hatten. Demzufolge machte ich mir keine Sorgen und sagte mir, falls jemand mich erkennen sollte, brauchte ich nur zu sagen, ich ginge mit dem Kind einer Freundin spazieren.
    Wie immer genoss ich das Gefühl, wieder Mutter zu sein, Luke durch die Gegend zu fahren und mit ihm zu reden. Dann und wann hob ich ihn aus dem Kinderwagen, betrat ein Geschäft, zeigte ihm ein Spielzeug oder hielt ihm kleine Kleidungsstücke vor, wie um zu sehen, ob sie ihm passten. Wenn ich etwas kaufte, zahlte ich dafür in bar, denn ich wollte nicht, dass der Name eines Kindergeschäfts auf unseren Kontoauszügen auftauchte und dich misstrauisch machte. Nachdem ich einmal zwei Still-BHs erstanden hatte, war ich klüger geworden.
    »Wofür hast du bei Mothercare fünfzig Pfund ausgegeben?«, wolltest du eines Abends wissen.
    Ich wandte das Gesicht ab. »Das muss das Geschenk für Lukes Taufe gewesen sein«, antwortete ich beiläufig.
    Du sagtest, das sei eine Menge Geld für ein Geschenk, schließlich fehle uns noch immer mein Lohn, doch dabei sahst du weiter fern. Ich war noch einmal davongekommen, beschloss jedoch, künftig vorsichtiger zu sein. Die Dinge, die ich kaufte, brachte ich im Kinderzimmer unter, denn das war der Raum, den du angefangen hattest zu meiden.
    An dem Tag, an dem ich mit Luke in der Stadt war, machten wir uns ein paar vergnügte Stunden. Doch dann fing es an zu regnen, ein heftiger Sommerschauer, und wir flüchteten in ein Café. Luke wurde unruhig, denn allmählich wurde er hungrig. Ich bestellte mir etwas zu trinken und setzte mich mit ihm in eine ruhige Ecke, denn ich wollte nicht gesehen werden, wenn ich ihn stillte. Voller Mutterstolz küsste ich seinen Schädel und breitete ein Tuch über Schulter und Brust.
    Ich war glücklich. Obwohl ich Joel verloren hatte und mich einsam fühlte und obwohl ich Angst hatte, dass du wieder dabei warst, mich zu betrügen, war ich in diesem Augenblick glücklich. Luke gehörte mir. Eine Zeit lang erging ich mich in Phantasien, malte mir aus, wie es wäre, wenn Emma und Dominic einen Unfall hätten und einen tragischen Tod erlitten, den ich mir gnädigerweise kurz und schmerzlos vorstellte, sodass Luke für immer mein sein konnte. Dann wären wir tatsächlich eine Familie, denn ein Junge braucht schließlich einen Vater.
    Die Kellnerin, eine muntere kleine Person mit rosa Stirnband und gebleichtem Haar, kam herbei und betrachtete Luke entzückt. »Oh, ist der süß.« Sie steckte ihren Stift hinter ein Ohr und kitzelte den Jungen am Kinn. »Wie heißt er denn?«
    »Joel.«
    »Ist das ein niedlicher Kerl. Hallo, Joel.«
    Luke starrte sie an und fing an zu weinen. Ich entblößte eine Brust.
    Die Kellnerin verfolgte alles andächtig. »Es geht doch nichts über Muttermilch«, flüsterte sie. »Was darf ich Ihnen denn bringen?«
    Gleich darauf kehrte sie mit meinem Tee zurück und gab noch einige bewundernde Laute von sich, ehe sie zu den anderen Gästen zurückkehrte.
     
    Wenn das Leben mich eins gelehrt hatte, dann dass jedes Glück flüchtig ist und man besser den Atem anhalten sollte, solange es währt.
    Im ersten Moment erkannte ich sie nicht, denn das Krankenhaus war so wenig Teil meiner Gedanken, dass ich vergessen hatte, wie nah es bei diesem Café lag. Ich hörte lediglich die Glocke über der Eingangstür und sah jemanden eintreten. Dass dieser Jemand Nurse Hall war, erfasste ich erst, als ich hörte, wie sie sich etwas zu essen bestellte. Sie trug ihre Schwesterntracht, setzte sich an einen Tisch, schlug eine Zeitschrift auf und begann zu lesen. Ihr Haar war kürzer als zuvor und mittlerweile rot gefärbt, doch der glitzernde Lidstrich war noch immer der gleiche. Mir fiel wieder ein, wie sie mir Joels Zustand erklärt und uns bei jenem letzten Gang zu unserem toten Kind begleitet hatte. Nurse Hall war sehr fürsorglich gewesen, und als Joel gestorben war, hatte sie mich festgehalten.
    »Na, da hat aber jemand Hunger!« Die Kellnerin stand wieder an meinem Tisch und betrachtete Luke schmunzelnd. »Möchten Sie noch etwas?«
    Warum musste diese elende Person diesmal so laut sprechen und meine Tasse abräumen, kaum dass ich sie leer getrunken hatte? Ich schüttelte den Kopf, denn ich wollte nicht, dass Nurse Hall mich an der Stimme erkannte.
    »Soll ich Ihnen die Rechnung bringen?«
    Es war Mittagszeit, und alle Tische waren besetzt. Trotzdem kamen von draußen noch Menschen herein, um sich vor dem

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