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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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Regen zu schützen, andere blieben im Eingang stehen und schauten ungeduldig zum Himmel. Dann entdeckten einige von ihnen, dass ich allein am Tisch saß und bezahlen wollte. Sie musterten mich erwartungsvoll. Ich überlegte, ob ich mich unerkannt an Nurse Hall vorbeimogeln könnte. Luke trank noch immer. Als ich ihm meine Brustwarze entzog, fing er empört zu schreien an.
    Nurse Hall, die darin geübt war, auf das Weinen von Kindern zu reagieren, schaute von ihrer Zeitschrift auf. Als sie mich entdeckte, erkannte sie mich sofort. Krankheit und Tod waren in ihrem Beruf nichts Ungewöhnliches, dennoch hatte sie mich nicht vergessen. Sie stand auf und kam zu mir.
    »Rose!«
    Um ihn zu beschwichtigen, steckte ich Luke einen Schnuller in den Mund und zog mein T-Shirt herunter.
    »Wie schön, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?«
    Sie berührte mich an der Schulter und betrachtete mich forschend. Doch sie hatte so aufrichtig besorgt geklungen, dass meine Kehle eng wurde.
    »Ganz gut, danke«, erwiderte ich knapp, denn ich wollte jedes Geplauder, jeden weiteren Kontakt unterbinden und so schnell wie möglich hier raus.
    »Sie sehen auch gut aus.« Ihr Blick fiel auf Luke. »Hallo, kleiner Mann. Es ist doch ein Junge, oder?«
    Ich nickte. »Seine Mutter erwartet uns, deshalb müssen wir leider schon los.« Eilig legte ich Luke wieder in den Wagen und ließ einen Zehnpfundschein auf dem Tisch liegen, mein letztes Geld. Luke fiel der Schnuller aus dem Mund, und er begann zu weinen. »Pscht, schön brav sein«, sagte ich und richtete seine Mütze, die in der Hast verrutschte. Ein paar rotgoldene Löckchen quollen darunter hervor.
    Nurse Hall stutzte, ihre Augen weiteten sich. Dann fiel bei ihr der Groschen. »Ist das nicht der Sohn von Emma Hatcher?«
    Die Frage musste ich wohl oder übel bejahen.
    Nurse Hall beugte sich vor und begutachtete das Baby, dessen Geburt sie miterlebt hatte. »Der hat sich aber gut gemacht. Darf ich ihn mal halten?«
    Behutsam hob sie Luke aus dem Wagen und studierte sein Gesicht. Wie zu sich selbst sagte sie: »Wie groß er geworden ist. Ihm geht es richtig gut, nicht wahr? Was für ein kleines Schätzchen und was für ein süßes Lächeln.« Luke stieß auf. Ein dünner bläulicher Milchfaden rann ihm übers Kinn und tropfte auf Nurse Halls weiße Bluse. Lachend griff sie nach einer Papierserviette und tupfte Lukes Kinn ab.
    Ich war ganz kribbelig vor Nervosität. »Wir sind ein bisschen spät dran«, stammelte ich. »War schön, Sie wiederzusehen, aber Emma wartet wahrscheinlich schon auf uns.«
    Sie legte Luke zurück. »Ich bin froh, dass es Ihnen gut geht, Rose, und dass Sie sich mit Emma angefreundet haben. Bitte grüßen Sie sie von mir.«
    So schnell wie möglich versuchte ich, die Tür zu erreichen, aber der Kinderwagen war zu breit, und immer wieder mussten die Leute für mich ihre Stühle zur Seite rücken. Dann lief auch noch die Kellnerin hinter mir her und sagte: »Warten Sie, Sie bekommen noch Wechselgeld.«
    »Nein, nein, stimmt so«, murmelte ich.
    Sie tätschelte Luke die Wange. »Na, hat dir Mamis Milch geschmeckt?« Ich schob den Wagen weiter. »Auf Wiedersehen, Joel!«, rief sie uns hinterher.
    Mir wurde so schwindelig, dass ich durch die Tür stolperte. Draußen goss es wie aus Eimern, aber ich war viel zu konfus, um mir einen Unterstand zu suchen. Wie eine Irre hetzte ich mit dem Wagen durch den Regen und versuchte mich zu beruhigen und mir Ausreden zurechtzulegen. Ich hatte mit Luke eine kleine Spazierfahrt gemacht, weiter nichts. Und im Grunde war ja auch gar nichts passiert. Nurse Hall hatte keinen Verdacht geschöpft, warum auch? Wahrscheinlich hatte sie die Worte der Kellnerin nicht einmal gehört.
    Trotzdem war es nicht mein Tag, denn als ich Emmas Haus erreichte, stand Dominics Auto in der Einfahrt, und mich befiel lähmendes Entsetzen. Die beiden waren längst zurück. Emma fragte sich sicher schon, wo ich war. Wo Luke war, dessen Kinderwagen noch im Flur stand, ebenso wie der Kindersitz, den er im Wagen brauchte. Und was war mit der vollen Milchflasche, die Emma vor fünf Stunden in den Kühlschrank gestellt hatte? Wie sollte ich ihr das alles erklären?

50.
     
    Schon an der Haustür vernahm ich Dominics zornige Stimme. Er stritt sich mit Emma, wahrscheinlich meinetwegen. Mit Sicherheit hatten sie den Kinderwagen im Flur entdeckt und die volle Flasche Milch im Kühlschrank.
    Joels Wagen hatte ich wieder im Kofferraum verstaut. Mit Luke auf dem Arm zwang ich mich,

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