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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Autoren: Ute R. Albrecht
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Sex bin ich sehr interessiert. Prüde bin ich auch nicht, vermute ich jedenfalls.
    Sieht ja ziemlich dürftig aus.
    Ach ja, beziehungsunfähig bin ich, laut Konrad.
    Vermutlich sollte ich mich endlich mal mit einem Kandidaten aus dem umfangreichen Internetangebot treffen. Möglicherweise weiß ich dann genauer, was mir gefällt und was nicht. Oder wie ich gefalle.
     
    Einer der besonders Hartnäckigen - das scheine ich zu mögen - klingt aufgrund seiner umfangreichen Beschreibung interessant für mich. Schon zwei, drei Wochen schreiben wir uns im Internet-Forum. Er ist einer der wenigen, der nicht in den ersten Zeilen schon nach meiner Körbchengröße gebettelt hat. Das wirkt auf mich durchaus solide.
    Daher signalisiere ich ihm, dass ich einem Treffen nicht mehr ganz so abgeneigt bin.
    Sofort reagiert er, schlägt ein Restaurant vor, würde auch zu mir kommen, will mich abholen, jetzt, sofort, hat schon die Schuhe an - ich bin erschrocken, keine Ahnung, wie ich jetzt reagieren soll. Sanft, aber bestimmt weise ich ihn für heute ab. Wir verabreden uns schließlich zu einem Date beim Chinesen am nächsten Abend.
    Aufgeregt hüpfe ich in meiner Wohnung auf und ab. Möglicherweise entsteht eine nette Beziehung, spinne ich mir zusammen, zumindest kein Konrad mehr. Ich kann ja auch mal Glück haben.
    Als Müritz-Fan gibt er sich aus. Das ist doch irgendwo im Norden. Ich mache mich schlau, damit ich einen klugen Eindruck vermittle. Ja, die Mecklenburgische Seenplatte ist ein Seengebiet im Nordosten Deutschlands. Die Bilder im Internet sehen wunderschön aus. Gut, Geschmack ist schon mal vorhanden.
    Er lebt in Scheidung und hat einen Sohn, der schon volljährig ist. Außerdem hört sich seine Stimme am Telefon sehr lieb und sanft an. Nicht so ein Choleriker wie Konrad, hoffe ich inständig.
     
    Begeistert erzähle ich meinen Freundinnen am Telefon von dem bevorstehenden Treffen. Voller Vorfreude und mit vielen Hoffnungen und Erwartungen gehe ich spät ins Bett.
    Bedenken habe ich keine, ganz im Gegenteil, so ein unverbindliches Treffen erscheint mir sicher: Bei einem unguten Gefühl kann ich mich schleunigst zurückziehen. Wenn ich feststelle, dass mich irgend ein Kranker ins Visier nimmt, kann ich ja seine ankommenden Mails sperren lassen. Ich weiß ja, wie es geht.
    Vermutlich merke ich gleich am Anfang, wer überhaupt nicht als potentieller Partner in Frage kommt. Gründe dafür gibt es genug:
    Eine bestehende Ehe wäre ein massiver Grund. Oder wenn über Expartner und die damit verbundenen ultimativen Ungerechtigkeiten gejammert wird. Das turnt ab.
    Natürlich auch die ausschließlich Hormongesteuerten, die in einem einfachen Hallo schon eine scharfe Anmache vermuten. Oder vergammelte Hirntode, die an einigen Evolutionsstufen nicht teilgenommen haben.
    Ich möchte einen starken und selbstbewussten Mann. Der stolz und überzeugt Verantwortung für sein Leben übernimmt. Bloß nicht wieder so einen psychopatischen Pflegefall.
     
    Angespannt betrete ich das ausgesuchte Restaurant. Vor lauter Aufregung nehme ich den Mann am hintersten Tisch zuerst nicht wahr.
    Ich sehe mich um und bin erleichtert, als der Müritz-Fan auf mich zueilt und mich sogleich nach einer kurzen Begrüßung herzlich umarmt. Er beschenkt mich mit nett gemeinten Komplimenten und rückt mir galant und charmant den Stuhl zurecht. Sehr aufmerksam.
    Auf meine Liste mit den Wünschen, die ich an einen Mann stelle, kommen noch gute Umgangsformen hinzu. Gentlemanlike. Super, gefällt mir.
    Ben ist nett anzuschauen, appetitlich, witzig und hat gute Manieren. Er riecht gut. Ich suche sofort das Haar in der Suppe. An diesem Abend präsentiert er keines. Ich habe lange nicht mehr so gelacht, mich so gut unterhalten. Auf deutliche Annäherungsversuche reagiere ich abweisend, aber freundlich. Er respektiert meine Grenzen. Ich fühle mich sehr wohl mit ihm.
    Als berufsmäßiger Chauffeur genießt er viel Tagesfreizeit und schätzt die üppigen Gelegenheiten, die aufregendsten Autos zu lenken. Seine Auftraggeber tolerieren anscheinend seine Extratouren. Die Begeisterung, mit der er von seiner Arbeit erzählt, lässt mich bald glauben, dass es doch so etwas wie eine Berufung gibt und nicht nur einen Job, um Geld zu verdienen. Ich bin beeindruckt von seiner Leidenschaft.
    Ein wenig später erzähle ich ihm unbedarft von meinem nicht immer funktionierendem Internetzugang. Ohne lange Nachzudenken bietet er großzügig und vermutlich kaum uneigennützig an, mir ein
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