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Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Die Lebenskünstlerin (German Edition)

Titel: Die Lebenskünstlerin (German Edition)
Autoren: Ute R. Albrecht
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schuften zu müssen. Wie seine Augen dabei strahlten.
    Was ist mit meinem beruflichen Leben? Ich verfüge über einen vortrefflichen Schulabschluss mit guten Abiturnoten. Und das trotz strenger katholischer Privatschule. Daneben habe ich mehrere abgeschlossene Ausbildungen. Aber was bringt mir das?
    In der Lebensphase, in der ich mich mit Heilung und Esoterik beschäftigte, absolvierte ich nebenher noch ein Heilpraktikerstudium.
    So verfüge ich über ein umfangreiches medizinisches Wissen und qualifizierte mich mit zusätzlichen Ausbildungen von der körperorientierten Psychotherapie, Kinesiologie, Brain Gym, Iris-Diagnose, Homöopathie, Chiropraktik, bis zur Fußreflexzonentherapie. Ach, und bei einem chinesischen Lehrer studierte ich Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin.
    In hübschen weißen Ordnern verwahre ich alle Zeugnisse, Prüfungsdokumente, Zertifikate, Urkunden, Bestätigungen und Ausbildungsnachweise auf. Alles wertloses Altpapier?
     
    Hoffnungsvoll richtete ich mir einst eine Heilpraktikerpraxis ein. Das ganze Projekt scheiterte kläglich, weil ich mich innerlich nicht von den Beschwerden meiner Patienten distanzieren konnte.
    Kam ein Patient mit Herzproblemen, litt ich tagelang unter Rhythmusstörungen. Kam einer mit Fußpilz, desinfizierte ich stundenlang voller Ekel die ganze Praxis und konnte nächtelang nicht schlafen. Irgendwann habe ich erschöpft aufgegeben. Hauptsächlich auch, weil mich die psychischen Probleme meiner Patienten unaufhörlich beschäftigten.
    Dennoch habe ich etwas Brauchbares gelernt: Der Glaube und die Zuwendung sind in der Naturheilkunde die wahre Medizin.
    Die unzähligen Kügelchen, Bachblüten und Therapien, der ganze Krempel ist Teil eines Heilungsrituals. Das meine ich ganz und gar nicht abwertend. Aber es wirkte ernüchternd auf mich. Absolut ernüchternd, wenn Kollegen die Not der Hilfesuchenden mit teuren Schröpfungsprogrammen beantworten und unbarmherzig ihren eigenen finanziellen Gewinn im Bewusstsein haben.
     
    Trotzdem fasziniert mich die Medizin immer noch. Aber nur in der Theorie, nie mehr in der Praxis.
    Kann ich all dieses Wissen jemals wieder anwenden, außer für meine persönliche Gesundheit? Beim Brötchenverkaufen bestimmt nicht. Meine Güte, ich habe nichts aus meinem Leben gemacht.
     
    Resigniert lese ich in einer Broschüre zur Berufungsfindung: Der Suchende soll sich die Vorlieben der Kindheit bewusst machen. Darin ist meist die Antwort auf die eigene Berufung verborgen.
    Ich wollte als Kind Schriftstellerin werden. Oder Malerin. Künstlerin eben.
    Brotlose Kunst kommentierte das meine Mutter trocken und verständnislos.
    Kunst studieren? Niemals. Mutter hatte absolut nichts für solche Ideen übrig. Früher oder später würde ich ohnehin heiraten. Alles nur rausgeschmissenes Geld. Zudem bin ich mit knapp siebzehn von zu Hause weggelaufen und habe bei diversen Freunden und Bekannten Unterschlupf erbettelt. Schwierige Zeit.
    Doch das zählt heute nicht mehr. Inzwischen bin ich längst erwachsen und habe etliche Möglichkeiten, um herauszufinden und auszuprobieren, was ICH möchte.
    Doch was würde ich wollen, wenn ich keinerlei Einschränkungen hätte? Wenn ich meinen Lebensunterhalt nicht dringend verdienen müsste? Wenn Begrenzungen durch Alter, Zeit, Geschlecht, Ausbildung oder andere Faktoren keine Bedeutungen hätten?
    Ich grüble. Vielleicht wäre ein nettes Häuschen im Grünen und in Stadtnähe mein Eigentum. Mit einem herrlichen sonnendurchfluteten Wintergarten, inklusive Staffeleien, Leinwände, Farbtöpfe und Pinselbehälter.
    Ich könnte Malkurse anbieten, möglicherweise sogar mit Übernachtung. Kreatives Malen. Baden in Farben, das Innere zum Ausdruck bringen. Gefühle auf Leinwand bannen. Das, was keine Worte findet, in der Seele verhärtet ist, verkrustet, wieder in den Fluss bringen, lösen, um loslassen zu können. Offensichtlich machen. Betrauern. Verabschieden. Platz schaffen für Neues. Lebendiges. Freude. Tolle Idee.
    Oder ich könnte meinen riesigen Schreibtisch so platzieren, dass ich den Blick auf die unendliche Weite des Meeres jederzeit genießen kann. Dann könnte ich wunderbare Gedichte schreiben, ja vielleicht sogar Bücher, Bestseller. Alles, was in mir rumschwebt, diese ganze unermessliche Flut theatralisch aufs Papier bannen.
    Oder die Empfindungen und Gefühle als Essenz in Prosa ausdrücken? Oder die vielfältigen Erfahrungen, welche ich vielleicht sogar verstanden und bearbeitet habe, in eine
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