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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude
Autoren: Emil Zola
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sehen ... Und wissen Sie, was ich argwöhne? Sie müssen meine Balken am Tage vor der großen Flut durchgesägt haben, denn es ist unmöglich, daß sie von selbst zerbrechen konnten.«
    Er rettete auf diese Weise seine Eigenliebe als Erbauer. Dann streckte er den Arm gegen Bonneville aus und fuhr fort:
    »Mögen sie hin werden! Dann werde ich tanzen!«
    »Mach dich doch nicht so schlecht«, sagte Pauline mit ihrer ruhigen Miene. »Nur die Armen haben das Recht schlecht zu sein ... Du würdest deine Pfähle trotz alledem wieder aufrichten.«
    Er hatte sich bereits beruhigt, wie vernichtet von der letzten leidenschaftlichen Aufwallung.
    »Nein,« murmelte er, »das würde mich zu sehr langweilen ... Aber du hast recht, es lohnt nicht der Mühe, deswegen in Zorn zu geraten. Ob sie ersaufen oder nicht, was kümmert es mich?«
    Von neuem trat Schweigen ein. Chanteau war in seine schmerzliche Regungslosigkeit zurückgesunken, nachdem er zur Entgegennahme des Kusses seines Sohnes den Kopf emporgehoben hatte. Der Pfarrer drehte seine Daumen, der Doktor ging mit den Händen auf dem Rücken auf und nieder. Alle schauten jetzt auf den schlafenden kleinen Paul, den Pauline selbst gegen Liebkosungen des Vaters verteidigte, denn sie wollte nicht, daß man ihn aufwecke. Seit der Ankunft der Männer bat sie diese, leise zu sprechen und nicht so laut um die Decke umherzutrappen; sie drohte Loulou schließlich mit der Peitsche, der immer noch knurrte, weil er das Pferd in den Stall hatte bringen hören.
    »Glaubst du etwa, daß er ruhig sein wird? Er zerreißt uns noch eine Stunde lang die Ohren ... Ich habe nie einen so unausstehlichen Hund gesehen. Man stört ihn, sowie man sich nur rührt, und weiß nicht einmal, ob man den eigenen Hund im Hause hat, so völlig lebt er für sich. Das unsaubere Geschöpf macht uns den Verlust unseres armen Mathieu nur um so bedauerlicher.«
    »Wie alt ist denn eigentlich Minouche?« fragte Cazenove. »Ich habe sie immer hier gesehen!«
    »Sie ist über sechzehn Jahre alt«, antwortete Pauline »und befindet sich darum nicht schlechter.«
    Minouche, die fortfuhr, sich auf dem Fensterbrette des Eßzimmers zu putzen, hob den Kopf, als der Doktor ihren Namen nannte. Sie blieb einen Augenblick mit einer Pfote in der Luft, den Bauch wie aufgeknöpft vor der Sonne; dann machte sie sich wieder daran, sich das Haar vorsichtig zu lecken.
    »Sie ist nicht taub«, begann das junge Mädchen wieder. »Ich glaube, die Augen werden etwas schwächer; das hält sie aber nicht ab, sich wie ein liederliches Ding zu betragen... Stellen Sie sich vor, daß man ihr vor kaum einer Woche erst sieben Junge fortgeworfen hat. Sie wirft soviele, soviele, daß man darüber staunen muß. Hätte man alle ihre Jungen diese sechzehn Jahre hindurch am Leben gelassen, sie hätten das Land aufgefressen... Erst letzten Dienstag ist sie wieder verschwunden, und Sie sehen, wie sie sich putzt, nachdem sie erst heute früh nach ihren Schandtaten, die drei Nächte und drei Tage gedauert haben, wieder heimgekehrt ist.«
    Heiter, ohne Verlegenheit oder Erröten sprach sie von den Liebschaften der Katze. Ein so sauberes, zartes Tier, das nicht imstande war, bei feuchtem Wetter das Haus zu verlassen, und sich dennoch viermal im Jahre in dem Schmutz aller Gerinsel wälzte! Am Tage vorher hatte sie sie auf der gegenüberstehenden Mauer mit einem großen Kater bemerkt, beide fegten die Luft mit ihren erhobenen Schwänzen und nachdem sie sich gegenseitig geohrfeigt, waren sie unter ergrimmtem Miauen in eine Pfütze gefallen. Die Katze war denn auch diesmal von ihrer Herumschlamperei mit einem eingerissenen Ohr heimgekehrt, das Rückenhaar ganz schwarz von Schmutz. Im übrigen konnte man sich keine schlechtere Mutter als sie denken. Bei jedem Wurf, den man ihr forttrug, leckte sie sich wie in ihrer Jugend, scheinbar ohne Ahnung von ihrer unerschöpflichen Fruchtbarkeit, denn sie verschaffte sich gleich wieder einen neuen Wurf.
    »Wenigstens ist sie für Sauberkeit«, schloß der Abbé Horteur, der Minouche zuschaute, die sich beim Putzen geradezu die Zunge abnutzte. »Viele Dirnen waschen sich nicht einmal.« Chanteau, der ebenfalls die Augen der Katze zugewandt, seufzte jetzt lauter; es war sein beständiges, unfreiwilliges Klagen, dessen er sich kaum mehr bewußt war.
    »Haben Sie größere Schmerzen?« fragte ihn der Arzt.
    »Wie? Warum?« sagte er, wie mit einem Ruck aufschreckend. »Ach, weil ich so laut geatmet habe. Ja, ich leide heute Abend
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