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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude
Autoren: Emil Zola
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fehlte nur noch«, schrie Lazare. »Es ist nicht meine Schuld, wenn man mich bestiehlt.«
    »Man bestiehlt nur die Ungeschickten, die sich die Taschen ausleeren lassen ... Wir sind nichtsdestoweniger auf elende vier- oder fünftausend Franken Rente beschränkt, gerade genug, um in diesem Loche zu leben. Ohne Pauline würde unser Kind eines Tages nackt gehen, denn ich mache mich darauf gefaßt, daß du auch den Rest des Geldes mit deinen außerordentlichen Gedanken und deinen Unternehmungen aufzehrst, die eine nach der andern ins Wasser fallen.«
    »Immer zu, fahre nur fort, dein Vater hat mir bereits gestern die gleichen niedlichen Schmeicheleien gesagt. Ich habe erraten, daß du ihm geschrieben hattest. Ich habe darum auch diese Düngerangelegenheit fahren lassen, ein sicheres Geschäft, bei dem hundert Prozent zu gewinnen waren. Aber ich bin wie du, ich habe es satt; der Teufel hole mich, wenn ich mich noch weiter rühre! ... Wir werden hier leben.«
    »Ein schönes Leben für eine Frau in meinem Alter, nicht wahr? Ein wahres Gefängnis; nicht eine einzige Gelegenheit, auszugehen und Menschen zu sehen, immer dieses dumme Meer da vor uns, das die Langeweile noch steigert... Ach, wenn ich das gewußt hätte, wenn ich das gewußt hätte!«
    »Glaubst du denn, ich unterhalte mich?... Wenn ich nicht verheiratet wäre, könnte ich anderswohin, sehr weit fort, Verschiedenes versuchen. Ich habe zwanzigmal Lust dazu gehabt. Das ist jetzt vorbei, ich bin nunmehr an dieses verlorene Nest festgenagelt, das gerade gut genug zum Schlafen ist. Du hast mir den Rest gegeben, ich fühle es wohl.«
    »Ich habe dir den Rest gegeben? Habe ich dich gezwungen, mich zu heiraten? Hättest du nicht sehen müssen, daß wir nicht füreinander geboren waren?... Es ist deine Schuld, wenn unser Leben verfehlt ist.«
    »Ja, unser Leben ist verfehlt, und du tust alles, um es täglich noch unerträglicher zu machen.«
    Obgleich Pauline sich vorgenommen hatte, beiseite zu bleiben, unterbrach sie sie zitternd:
    »Schweigt, Unglückliche!... Es ist wahr, daß ihr dieses Leben, das so gut sein könnte, leichtfertig euch verderbt. Warum erregt ihr euch so und sagt euch Sachen, unter denen ihr in der Folge leidet?... Schweiget, ich will nicht, daß es so weiter geht!«
    Luise war in Tränen auf einen Stuhl gesunken, während Lazare, heftig erschüttert, mit ungestümen Schritten auf- und abging.
    »Das Weinen ist zu nichts nütze, meine Liebe«, fuhr das junge Mädchen fort. »Du bist wirklich durchaus nicht duldsam, hast vielfach Unrecht. Und du, mein armer Freund, wie ist es nur möglich, daß du sie so kränkst? Das ist häßlich, ich glaubte, du hättest wenigstens ein gutes Herz... Ja, ja, ihr seid beide große Kinder, beide schuldig und wißt nicht was anfangen, um euch gegenseitig zu quälen. Aber ich will es nicht, hört ihr?... Ich will keine traurigen Menschen um mich sehen... Umarmt euch sogleich!...«
    Sie versuchte zu lächeln, sie hatte nicht mehr jenes beginnende Zittern, das sie beunruhigte. Sie hatte nur noch den einen glühenden und heißen Wunsch der Barmherzigkeit, sie vor ihren Augen einander in die Arme zu führen, um sicher zu sein, daß der Streit beendet sei.
    »Ihn umarmen, nein, das nicht!« sagte Luise. »Er hat mir zu große Ungezogenheiten gesagt!«
    »Niemals!« schrie Lazare.
    Da brach sie in ein helles Lachen aus.
    »Vorwärts, schmollt nicht. Ihr wißt, ich bin sehr eigensinnig. Mein Essen brennt an, unsere Gäste warten auf uns. Ich werde dich zu ihr stoßen, Lazare, wenn du dich weigerst zu gehorchen. Wirf dich vor ihr auf die Knie, ziehe sie artig an dein Herz... Vorwärts... Vorwärts, noch besser...«
    Sie trieb sie zu einer zärtlichen Umarmung, sie sah mit heiterer, siegesbewußter Miene, ohne daß ein Schatten ihre klaren Augen verdunkelte, wie sie sich das Gesicht küßten. Sie ward innerlich von einer freudigen Wärme wie von einer zarten Flamme durchdrungen, die sie über jene erhob. Ihr Vetter aber umarmte inzwischen seine Frau, von heftigen Gewissensbissen gequält, während sie noch in der Nachtjacke mit bloßen Armen und bloßem Halse seine Liebkosungen unter noch heftigerem Weinen erwiderte.
    »Seht ihr wohl, das ist besser als sich prügeln!« sagte Pauline. »Ich kann jetzt gehen; ihr bedürft meiner nicht weiter, um Frieden zu machen.«
    Sie war schon an der Tür und schloß sie hastig hinter diesem Gemach der Liebe mit dem geöffneten Bette, den umherliegenden Kleidern, dessen Heliotropgeruch sie
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