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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude
Autoren: Emil Zola
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Eßzimmer, wo sie sich geräuschvoll mit den Gedecken zu schaffen machte. Aber die Stimmen tönten weiter, sie konnte den Gedanken, daß sie sich gegenseitig unglücklich machten, nicht, länger ertragen und stieg hinauf, von der tätigen Barmherzigkeit getrieben, die aus dem Glück der anderen das eigene Dasein formt.
    »Meine lieben Kinder,« sagte sie, unvermittelt in das Zimmer tretend, »ihr werdet sagen, daß es mich nichts angeht, aber ihr schreit zu laut... Es ist nicht besonders schön, euch so zu schimpfen, daß ihr das ganze Haus außer Fassung bringt.«
    Sie hatte das Zimmer durchschritten und beeilte sich, das von Luise offen gelassene Fenster zu schließen. Glücklicherweise waren weder der Pfarrer noch der Doktor auf der Terrasse geblieben. Ein hastiger Blick zeigte ihr nur den an der Seite des schlummernden Paul träumenden Chanteau.
    »Man hat euch unten gehört, als ob ihr im Speisezimmer wäret«, fügte sie hinzu. »Was habt ihr denn wieder?«
    Aber sie waren nun einmal losgelassen, sie setzten ihre Gezanke fort, ohne scheinbar Paulines Eintreten bemerkt zu haben. Sie blieb, von ihrem alten Unbehagen erfaßt, unbeweglich stehen in diesem Zimmer, in dem die Gatten schliefen. Der gelbe Creton mit den grünen Ranken, das rote Läuferzeug, die alten Mahagonimöbel hatten schweren Wollenvorhängen und der Zimmereinrichtung einer verhätschelten Frau Platz gemacht, nichts mehr war von der toten Mutter zurückgeblieben; ihrem Ankleidetisch, auf dem durchfeuchtete Handtücher umherlagen, entströmte ein Heliotropduft, und dieser Duft nahm ihr ein wenig den Atem; sie ließ unwillkürlich den Blick durch das ganze Zimmer gleiten, in dem jeder Gegenstand von der Vernachlässigung des Hauswesens sprach. Hatte sie schließlich auch nachgegeben, bei ihnen zu leben, täglich mehr entnervt durch ihren inneren Widerwillen; konnte sie nunmehr auch des Nachts trotz des Gedankens schlafen, daß sie vielleicht eines in den Armen des andern ruhten, so war sie doch nie bei ihnen, in ihr eheliches Heim eingetreten, in diese Unordnung der überall umhergeworfenen Kleidungsstücke und des schon für den Abend bereiteten Bettes. Ein Zittern überfiel sie, das Zittern ihrer ehemaligen Eifersucht.
    »Wie könnt ihr euch nur so zerreißen?« murmelte sie nach einem Schweigen. »Ihr wollt nicht vernünftig sein?«
    »Nein,« rief Luise, »ich habe schließlich genug. Denkst du, er sieht sein Unrecht ein? Ach ja! Ich habe mich begnügt, ihm zu sagen, wie sehr wir uns beunruhigt haben, als er gestern nicht zurückkehrte, und er ist sofort wie ein Wilder über mich hergefahren; er beschuldigt mich, ihm sein Leben verdorben zu haben, er droht geradezu nach Amerika auswandern zu wollen.«
    Lazare unterbrach sie mit fürchterlicher Stimme.
    »Du lügst ... Wenn du mir mein Verzögern mit dieser Milde vorgeworfen hättest, würde ich dich umarmt haben, und alles wäre gut gewesen. Aber du hast mich beschuldigt, daß ich dir ein tränenreiches Leben bereite. Ja, du hast gedroht, dich in das Meer zu stürzen, wenn ich dir das Leben weiter unmöglich machte.«
    Damit begannen beide zugleich von neuem, sie machten ohne Rückhalt ihrem durch die fortwährende Reibung ihrer Charaktere angehäuften Grolle Luft. So artete eine anfangs kleine Neckerei über die geringfügigsten Sachen stets nach und nach aus und versetzte sie in einen Zustand zugespitzter Abneigung, der den Rest des Tages unerträglich machte. Sie mit ihrem sanften Gesicht wurde heftig, sowie er einem ihrer Vergnügen in den Weg trat; sie war von der Bosheit einer schmeichelnden Katze, die sich an andere anschmiegt und dabei die Krallen zeigt. Er fand trotz seiner Gleichgültigkeit in diesen Zänkereien ein Aufrütteln aus der Schläfrigkeit seiner Langweile, er setzte es sich in den Kopf, durch diese Zerstreuung sich fieberhaft zu erregen.
    Pauline hörte ihnen indessen zu. Sie litt mehr als sie; diese Art zu lieben wollte ihr durchaus nicht in den Kopf. Warum schont man sich nicht aus gegenseitigem Mitleid? Warum sich nicht ineinander schicken, wenn man einmal miteinander leben muß? Es schien ihr so leicht, das Glück in der Gewohnheit und der Teilnahme zu suchen. Und sie war wie niedergeschmettert, sie betrachtete diese Heirat immer als ihr Werk, das sie gut, dauernd gewünscht hatte, um wenigstens durch die Gewißheit, weise gehandelt zu haben, für ihr Opfer belohnt zu sein.
    »Ich werfe dir nicht die Verschleuderung meines Vermögens vor«, fuhr Luise fort.
    »Das
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