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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude
Autoren: Emil Zola
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hatte.
    »Man kann sich aber auch kaum ein so dumm gebautes Dorf vorstellen«, rief er. »Ihr habt euch in die Wellen gedrängt und erstaunlich ist es wirklich nicht, wenn das gierige Meer euch eure Häuser eins nach dem anderen auffrißt ... Warum bleibt ihr in dem Loche? Man geht einfach.«
    »Wohin denn?« fragte Prouane, der mit entsetzter Miene zuhörte. Man ist nun einmal hier und bleibt hier ... Irgendwo muß man doch sein.«
    »Das ist wahr«, schloß Frau Chanteau. »Hier oder dort: man ist überall schlecht daran ... Wir gehen hinauf, um uns schlafen zu legen. Guten Abend! Morgen ist klares Wetter.«
    Der Mann verabschiedete sich und ging, und man hörte Veronika die Riegel hinter ihm zuschieben. Jeder nahm einen Wachsstock, man liebkoste noch einmal Mathieu und die Minouche, die beide in der Küche schliefen. Lazare hatte seine Noten zusammengerafft, während Frau Chanteau die Wertpapiere im alten Buchdeckel unter ihren Arm preßte. Sie nahm den Rechnungsausweis von Davoine, den ihr Mann vergessen hatte, ebenfalls vom Tische. Dieses Papier zerriß ihr das Herz, man brauchte es nicht überall herumliegen lassen.
    »Wir gehen nach oben, Veronika«, rief sie. »Du wirst doch nicht so spät noch herumlaufen?«
    Als von der Küche her nur ein Grunzen als Erwiderung klang, setzte sie leiser hinzu:
    »Was hat sie denn? Es ist doch kein zu entwöhnendes Kind, das ich ihr ins Haus bringe.«
    »Kümmere dich nicht um sie,« sagte Chanteau, »du weißt, sie hat ihre Grillen. Sind wir alle vier hier? Gute Nacht also.«
    Er schlief zu ebener Erde an der anderen Seite des Flurs in dem ehemaligen Salon, der zum Schlafzimmer umgewandelt war. So konnte man ihn, wenn er gerade einen Anfall hatte, mit seinem Lehnstuhl bequem an den Tisch oder auf die Terrasse rollen. Er öffnete seine Tür, verweilte aber noch einen Augenblick mit den eingeschlafenen, schon von der dumpfen Annäherung eines Anfalles bedrohten Beinen, welche die Steifheit seiner Gelenke ihm seit dem Abende vorher ankündigte. Das Naschen von der Gänseleberpastete war entschieden ein großer Fehler gewesen. Diese jetzt zur Gewißheit gewordene Tatsache brachte ihn zur Verzweiflung.
    »Gute Nacht«, wiederholte er mit kläglicher Stimme. »Ihr schlaft stets ... Gute Nacht, mein Herzchen. Ruhe dich gut aus, in deinem Alter kann man das noch.«
    »Gute Nacht, Onkel«, sagte ihrerseits Pauline und umarmte ihn.
    Die Tür schloß sich. Frau Chanteau ließ die Kleine vorausgehen. Lazare folgte ihnen.
    »Mich wird man jedenfalls heute Abend nicht einzuwiegen brauchen«, erklärte die alte Dame. »Auch bringt mir dieser Lärm Schlaf, er ist mir durchaus nicht unangenehm. In Paris fehlte mir diese Erschütterung in meinem Bette.«
    Alle drei langten in dem ersten Stockwerke an. Pauline, die ihren Wachsstock hübsch gerade hielt, belustigte sich über diesen Gänsemarsch, jeder mit dem Lichte in der Hand, dessen Schein die Schatten tanzen ließ. Als sie auf dem Absatze zögernd stehen blieb, da sie nicht wußte, wohin die Tante sie führte, schob diese sie sanft vorwärts.
    »Geh gerade aus ... Das ist ein Fremdenzimmer, gegenüber das meine. Komm einen Augenblick herein, ich will es dir zeigen.«
    Es war ein mit gelbem, grünbemustertem Leinen ausgeschlagenes Gemach mit schlichten Mahagonimöbeln: einem Bette, einem Kleiderschrank, einem Schreibsekretär. Ein runder Tisch war in der Mitte auf einen roten Teppich gestellt. Als Frau Chanteau mit ihrem Wachslichte in alle Ecken und Winkel geleuchtet hatte, näherte sie sich dem Schreibsekretär, dessen Deckel sie aufklappte.
    »Sieh«, sagte sie.
    Sie hatte eine der kleinen Schiebladen geöffnet und legte aufseufzend den vernichtenden Ausweis von Davoine hinein. Dann räumte sie ein anderes Schiebfach darüber aus, zog es hervor und schüttelte es, um alle Krümchen herausfallen zu lassen. Während sie sich anschickte, vor dem zuschauenden Kinde die Wertpapiere dort hineinzutun, sagte sie:
    »Du siehst, ich lege sie hier hinein; dort ruhen sie ganz abgesondert ... Willst du selbst sie hineinlegen?«
    »O, Tante, das ist nicht der Mühe wert.«
    Aber schon hatte sie das alte Geschäftsbuch in der Hand und mußte es tief hinten in das Schiebfach stecken, während Lazare mit erhobenem Wachslicht das Innere des Möbels beleuchtete.
    »Jetzt bist du sicher,« fuhr Frau Chanteau fort, »und sei ruhig, eher würde man daneben Hungers sterben. Erinnere dich, die erste Schieblade links. Die Papiere kommen erst an dem Tage wieder
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