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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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und kannten uns bestens aus. Wobei mir immer das Rinzai-Zen mehr lag. Ich nehme an, das kommt, weil ich gerne quatsche und die Dinge ausdiskutiere. Vor dem ersten Abend-Zazen gab es ein leckeres Abendessen, und nach dem Sitzen konnten wir noch eine Stunde vor der Bettruhe in der Kantine bei Wein oder Bier einige der anderen Mitstreiter kennenlernen – alles ganz locker.
    Am nächsten Tag um 6.00 Uhr war Wecken, und die Nacht war zu Ende. Und der Spaß auch. Es wurde eine Trommel geschlagen, die auch die Bullen in der Rinder-Besamungsanstalt um ihren Schlaf brachte. Schon bald fanden wir ´raus, dass es hier noch japanischer als in den japanischen Klöstern zuging. Die Anzahl der Toiletten und Waschbecken war damals noch beschränkt und man musste sich anstellen, und wenn man dann dran war, Tür zu, Hose runter und nicht geziert, denn die Schlange war lang. Wie am Fließband. Denn um 6.30 Uhr war die erste Sitzung.
     
    Überall roch es nach brennenden Weihrauchstäbchen. Von der Kleidung her sahen Mathilda und ich ganz wie vom Fach aus, … die Salon-Ausgabe der Zen-Buddhisten sozusagen. Beim Abschied aus dem japanischen Kloster waren uns Kimonos und Unterkimonos vom Feinsten geschenkt worden, die wir jetzt trugen. Man sah uns an, dass wir weitgereist waren, meinten wir in unserer Arroganz. Die meisten hier gingen jedoch in einfach geschneiderten schwarzen Kutten - Frauen wie Männer, viele kahlgeschoren. Dann wurde das Dojo geöffnet. Hinter uns gingen zwei Frauen in bunten, indianischen Umhängen, als ginge es darum, die Geister gnädig zu stimmen. Zwei Mönche wiesen den Eintretenden mit einer knappen Geste ihre Plätze zu. Wir kamen in die hintersten Reihen, wo die Anfänger sitzen. Den beiden Frauen mit ihren leuchtenden Umhängen in diesem schwarzen Einerlei wurde Plätze hinter uns zugewiesen.
     
    Dann betrat der Zen-Meister das Dojo. Wir konnten es nur erahnen, da wir ihm ja den Rücken zudrehten und mit dem Gesicht zur Wand saßen. Er ging durch die Reihen der etwa 150 Teilnehmer, und man hörte sein Gewand rauschen, wenn er die Reihe passierte, in der man saß. Dann der Gong und Stille! Was Mathilda und ich ja zur Genüge aus Japan kannten. Nach zwei Stunden klang die Sitzung mit einer wunderbaren Zeremonie aus, die wir in solcher Reinheit selbst in Japan nie erlebt hatten, und ein Teil meiner Überheblichkeit fiel von mir ab. Jetzt konnten wir auch den deutschen Meister in Augenschein nehmen. Er war ein Enddreißiger von schlanker Gestalt. Er strahlte verhaltene Kraft und Zuversicht aus und wirkte wach, klar und natürlich.
     
    Mathilda und ich freuten uns auf das Frühstück. Umso überraschter waren wir, als wir erfuhren, dass auch die Mahlzeiten im Meditationssitz eingenommen wurden. Selbst in Japan waren in unserem Kloster dafür Tische und Stühle vorgesehen. Da müsst ihr euch schon ein paar andere Dinge ausdenken, wenn ihr den alten Hubertus klein kriegen wollt! , machte ich mir Mut, denn ich spürte langsam meine Knochen. Das Essen wurde durch eine würdevolle Zeremonie – durch das Rezitieren eines Sutras - begleitet. Das Servieren der Speisen und das Essen selbst verlief in Stille und ging sehr rasch vonstatten. Mir wurde klar, dass man sich hier mit den anderen harmonisieren musste und Bummelanten nicht gefragt waren. Ich kam mir manchmal ein wenig wie ein Musikkritiker vor, der nicht einfach sagen konnte, dass die Sinfonie am Vorabend im Konzertsaal in Ordnung war. Ein Kritiker kann nicht einfach alles nur gut finden – er muss ab und zu ein Haar aus der Suppe fischen. Man muss in der Kritik sein eigenes Wissen aufblitzen lassen, am besten in Form von kleinkarierter Kritik: An dieser Stelle sind die Geigen ein wenig zu dominant, dort die Klarinetten ohne Tempo . So dass der Leser den Eindruck hat: Mensch, habe ich doch wohl nur oberflächlich hingehört, wenn ich einfach alles nur toll fand! So waren mir natürlich auch hier ´mal wieder die Rituale ein wenig zu soldatisch. Und auch das Gehen im Dojo, eigentlich schon ein Exerzieren wie bei der Wachablösung am Tower, kam mir wie das Gehabe von Zinnsoldaten vor. Wie gesagt, der alte Musikkritiker aus der Kulturspalte! Aber alles in allem, waren Mathilda und ich nicht enttäuscht, nicht wahr, mein Schatz?“
     
    „Im Gegenteil, alles kam mir in dieser Strenge echter und wahrhaftiger vor. Nicht so blutleer wie in Japan, wo die Rituale im Gegensatz zu hier fast ein wenig schlampig ausgeführt wurden!“
     
    „Und war dieser Meister
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