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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
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brüchigen Stoff huschen.
    »Eine goldene Uhr«, fuhr Mina fort. »Ich bin mir nicht sicher, aber ich meine, es waren die Buchstaben C und L eingraviert.«
    Annelie antwortete nicht.
    »Verstehst du, Mama? C und L, Claudius Liebkind.«
    »Hast du die Uhr denn in letzter Zeit noch einmal bei ihm gesehen?«, fragte Annelie, während sie vorgeblich konzentriert weiterstichelte.
    Mina zupfte das Hemd in ihrem Schoß zurecht, das sie gerade flickte. »Nein.«
    »Aber du bräuchtest diese Uhr, um Frank zu helfen«, erklärte Annelie.
    »Ja, ich …«
    »Ich weiß, wie dir zumute ist, aber verlange bitte nicht von mir, dass ich dich in diesem Vorhaben unterstütze«, fuhr Annelie rasch fort. Der Ausdruck in ihrem Gesicht schwankte zwischen Angst und Unbehagen. Sie hatte immer nur das Beste für ihre Tochter gewollt und war doch so schrecklich gescheitert. Mina tat ihre Mutter leid. Das Leben war nicht einfach, aber immerhin hatten sie noch einander.
    Annelie sah ihre Tochter eindringlich an. »Mina, das hier ist mein Leben. Wenn du in Stellung gehen willst, helfe ich dir, aber die Sache mit der … der Uhr … Das kann ich nicht. Ich kann mich nicht gegen meinen Mann stellen. Ich habe einfach zu viel Angst. Wenn du fortwillst, helfe ich dir, aber das andere … das andere, das kann ich nicht. So leid es mir tut.«

Zweites Kapitel
    An jenem Morgen, als sie sich bei den Dalbergs vorstellen sollte, stand Mina länger vor dem Spiegel und musterte sich aufmerksamer, als sie es gewöhnlich tat. Annelie hatte ihr lockiges Haar gebürstet und zu einem solch straffen Zopf geflochten, dass der Haaransatz schmerzte. Zu ihrem besten graublauen Leinenkleid, das bis auf ihre schwarzen, auf Hochglanz polierten Sonntagsschuhe hinabreichte, trug Mina eine weiße, selbst genähte Schürze und ein Sonntagshäubchen.
    »Hermann wird dich in die Stadt mitnehmen«, sagte Annelie und strich ihrer Tochter sanft über den Arm.
    Flüchtig berührte Mina ihren schmerzenden Haaransatz. Sie hatte den Eindruck, ihr Gesicht nicht mehr richtig bewegen zu können.
    »Ich wünsche dir Glück«, fügte ihre Mutter hinzu.
    Mina nickte. Das anstehende Vorstellungsgespräch im Haushalt der Dalbergs hatte sie in der Nacht häufiger aus dem ohnehin unruhigen Schlaf fahren lassen, und auch an etwas anderes hatte sie denken müssen: Wie viele Tage habe ich jetzt schon nichts von Frank gehört?
    Noch immer wusste sie nicht, wie sie dem Freund helfen könnte, aber sie wusste, dass sie ihm helfen musste. Die goldene Uhr hatte sie bisher vergebens gesucht. Sollte sie sich mit dem, was sie wusste, vielleicht an irgendjemanden wenden?
    Aber Mina vermochte nicht zu sagen, wer Stiefvater und Stiefbruder noch freund war. Und was, wenn die beiden einfach bezahlten, um lästige Nachforschungen zu verhindern? Wer sollte ihr überhaupt glauben? Sicherlich würde es ihrem Stiefvater mit Leichtigkeit gelingen, sie als fantasiebegabte dumme Göre hinzustellen – und dann? Sie musste eine andere Lösung finden, doch welche?
    Kurz schaute Mina ihre Mutter über den Spiegel hinweg an. Dann lächelten sie beide, wie auf ein geheimes Wort hin, doch das Lächeln geriet zaghaft wie so oft und verlor sich bald.
    Ich will hier fort, dachte Mina im nächsten Moment, ich will weg. Ohne Frank hat es ohnehin keinen Sinn, zu bleiben.
    Wenn Frank nicht von dem schrecklichen Vorwurf freigesprochen würde, könnten sie beide nicht heiraten und sich niemals ein gemeinsames Leben aufbauen. Sie hatte so gehofft, dass er noch einmal zurückkommen würde. Sie hatte gehofft, dass sie wenigsten erführe, wo er hingegangen war, um ihm folgen zu können. Nichts. Bisher hatte sie keine einzige Nachricht erreicht.
    Mina unterdrückte einen tiefen Seufzer. Sie konnte nicht sagen, wie es ihr bislang gelungen war, Philipps Nachstellungen zu entgehen. Seit geraumer Zeit schlief sie mit einem Messer unter dem Kopfkissen. Sie hatte ihren Stiefbruder auch schon einmal damit bedroht, beeindruckt hatte sie ihn sicher nicht. Ein paar Tage später hatte er sie jedenfalls überraschend beiseitegenommen, die kräftige Hand mit einem Mal so fest an ihrem Hals, dass sie kaum Luft bekommen hatte.
    »Glaub nicht, dass du mir Angst einjagst, süße Mina. An dir ist einfach noch zu wenig dran, um sich wirklich vergnügen zu können. Ich kann warten.«
    Sie hatte sich nur schwer beherrschen können, ihm nicht ins Gesicht zu spucken.
    Was würde geschehen, wenn ihr Körper weiter reifte, wenn er ihre Weiblichkeit noch stärker
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