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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos
Autoren: Sofia Caspari
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Weg, Irmelind, ich sag’s nicht noch einmal. Frank war mitnichten hier, das können meine Männer bezeugen, und jetzt nimm dir ein Beispiel an deinem Mann und mach Platz.«
    »Komm, Irmelind«, war jetzt die Stimme des Vaters zu hören, »mach keinen Ärger.«
    »Aber was wollt ihr denn von meinen Jungen?«
    Offenbar war seine Mutter nicht so leicht bereit aufzugeben. Leise, ganz leise verließ Frank das Bett, zog rasch seine Hose an und schlich dann zur Tür, um durch den Spalt zu spähen. Sein älterer Bruder Samuel, der für ein paar Tage bei ihnen weilte, war jetzt ebenfalls aufgewacht und starrte ihn erstaunt an. Frank legte den Finger auf die Lippen. Die Stimmen wurden lauter.
    »Frank hat einen Mann umgebracht, Irmelind. Es gibt Zeugen.«
    »Das kann nicht sein. Er war hier, mein Frank war hier.«
    »Doch, es ist die Wahrheit.« Durch den Spalt konnte Frank sehen, wie Philipp auf Irmelind zutrat und ein blutverschmiertes Hemd in die Höhe hielt. »Das haben wir draußen gefunden. Es ist Franks Hemd, wir haben uns erkundigt.«
    Frank warf den Kopf herum. Wo war sein Hemd, wo …? Und dann fiel es ihm ein: Er hatte es nach der Feldarbeit gewaschen und zum Trocknen aufgehängt. Das dort konnte also tatsächlich sein Hemd sein.
    »Aber …« Irmelind brach ab. »Glaubt mir doch, Frank würde keiner Fliege etwas zuleide tun. Er ist so ein guter Junge. So ein Hemd tragen hier doch viele, ich …«
    Jetzt mischte sich Hermann ein. »Wen soll er denn getötet haben? Jemanden, den wir kennen?«
    »Nun …« Xavers Gestalt verdeckte für einen Moment die seines Sohnes. »Claudius Liebkind ist offenbar heute in Esperanza eingetroffen und liegt nun erschlagen auf der Polizeiwache.«
    Frank hörte, wie seine Mutter einen Schrei ausstieß. Philipp trat hinter dem Rücken seines Vaters hervor.
    »Du wusstest davon, Irmelind, nicht wahr? Du hast es ihm gesagt, ja? Cäcilie hat dir erzählt, dass Claudius kommen wollte, um sich mit euch zu versöhnen …«
    Irmelind stieß einen neuerlichen gequälten Schrei aus.
    »N … nein«, stotterte sie dann, »ich habe, ich habe nichts und niemandem …«
    Frank hatte genug gehört. Lautlos stahl er sich an seinem verwirrten Bruder vorbei zum Fenster, öffnete es vorsichtig und stieg ebenso lautlos hinaus. Gott sei Dank hatte offenbar keiner der Trottel daran gedacht, die Umgebung des Hauses zu bewachen. Unbehelligt konnte er sich davonmachen. Wenig später hatte ihn die Weite des Landes geschluckt.
    Mina blinzelte ins graue Morgenlicht, als der Stiefvater die Tür zum Schuppen am nächsten Tag öffnete. Sie hatte Philipp und ihn am Vorabend zurückkehren hören, offenbar stockbetrunken, und sofort gewusst, dass man sie an diesem Abend nicht mehr befreien würde. Auf ihre Mutter zu hoffen war ebenfalls vergebens. Annelie liebte ihre Tochter, aber sie hatte zu viel Angst, um ihrem Mann zuwiderzuhandeln. Es war nicht die erste Nacht, die Mina in der Scheune verbrachte. Sie hatte sich daran gewöhnt. Ein Rascheln, ein Fiepen oder ein anderes, nicht einzuordnendes Geräusch schreckten sie gewiss nicht mehr.
    »Na, Töchterchen, gut geschlafen?« Xaver lachte blechern auf.
    Ich bin nicht deine Tochter, wollte Mina ausspucken, doch sie beherrschte sich im letzten Moment. Im Schatten seines Vaters trat Philipp durch die Tür. Der Stiefbruder grinste sie so anzüglich an, dass ihr mit einem Mal angst und bange wurde. Xaver klopfte seinem Sohn auf die Schulter.
    »Ich muss los, Junge, wird ein langer Tag.«
    »Ja, Vater, ich komme auch gleich.«
    Philipp sah Xaver einen Moment nach. Dann sah er Mina an. Wieder grinste er. Im nächsten Moment schon stand er ganz dicht bei ihr. Er nahm eine Strähne ihres Haars und wickelte sie sich um die Handfläche, bis Mina vor Schmerz die Zähne aufeinanderbeißen musste. Doch niemals würde sie ihm die Genugtuung geben, in seiner Gegenwart Angst oder Schmerz zu zeigen.
    »Mina, kleine Mina, weißt du es schon? Dein Bock hat sich aus dem Staub gemacht.«
    »Wer?« Mina blinzelte die verräterischen Tränen weg.
    »Frank. Frank Blum hat einen Menschen getötet und ist vor dem Arm des Gesetzes geflohen.«
    Der Schrecken fuhr wie ein heißer Strahl durch Mina hindurch, und doch gelang es ihr, ihre Gefühle weiterhin nicht zu zeigen.
    »Frank hat niemanden getötet«, widersprach sie mit fester Stimme.
    »Frag seine Eltern, liebste Mina, er ist fort. Würde ein Unschuldiger fliehen? In jedem Fall bist du jetzt allein. Jetzt bin nur noch ich da, um dir Lust zu
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