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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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zügelte sein Pferd und sog das Bild der Stadt förmlich in sich ein. Als seine Blicke in dem steinernen Meer badeten, fühlte er sich erfrischt und endlich zu Hause angekommen.
    Wie von einem Hofstaat aus Palazzi, reichen Häusern und Kirchen umgeben, ragte der majestätische Duomo mit der Kuppel des Architekten Filippo Brunelleschi aus dem Stadtbild heraus. In der Pose des Herolds postierte sich vor Vasari der mit schwarzem und weißem Marmor verkleidete Kampanile. Trotz des trüben Wetters leuchteten die roten Ziegel der Kuppel von Santa Maria del Fiore, die von weißen Streben unterteilt wurden. Diese Rippen leiteten den Blick des Betrachters zur Laterne weiter, die wie ein Pfeil auf die goldene Erdkugel verwies, über die sich weithin sichtbar das Kreuz erhob. So endete alles in Gott, der über die Menschen und die Welt herrschte. Die Kuppel erinnerte Vasari daran, dass er dem Großherzog versprochen hatte, Brunelleschis weiß belassenen Innenraum mit Fresken zu schmücken. Nun sollte er endlich dazu kommen, die Entwürfe zu vervollständigen, und dann würde er zügig mit den Gesellen und Lehrlingen seiner Werkstatt an die Ausführung gehen.
    Kurz darauf ritt er durch die mächtige Porta di San Pietro Gatolini, die mit ihren wuchtigen, eisenbewehrten Eichenholzflügeln an einen aufrecht stehenden Bären erinnerte. Auf seinen vielen Reisen war Vasari durch kein Stadttor gekommen, das nicht von einem geschäftigen Treiben erfüllt war. Händler kamen an, entrichteten Zoll, Bauern zogen mit ihren Waren in die Stadt, Reisende aller Art passierten die Pforte. Einige besonders dreiste Huren versuchten gleich am Stadttor, die Kundschaft abzupassen. Träge und verschlafene Stadtsoldaten taten so, als ob sie auf alles, was geschah, ein Auge hatten. Ein grobknochiger Kerl mühte sich redlich, die Hühner wieder einzufangen, die ein Spaßvogel in dem Moment aus dem Käfig gelassen hatte, als er mit den Wachsoldaten verhandelt hatte. Es gackerte und raschelte, begleitet vom lauten Fluchen des geplagten Landmannes und dem Lachen der schadenfrohen Beobachter, schrill, tief, spitz oder breit, je nachdem, sodass die Kakofonie des Lebens zum Himmel aufstieg. Ein Wunder, dass Gott darüber nicht ertaubte, dachte Vasari.
    Dann fiel sein Blick auf ein Haus, das sich in der Form eines Quaders über drei Etagen erstreckte und in seiner Wuchtigkeit an einen gut zu verteidigenden Palazzo erinnerte. Aus dem Fenster beobachtete eine Magd das Treiben vor der Pforte. Unter ihr auf der Straße stand ein gesatteltes und mit reich verziertem Zaumzeug versehenes Pferd, dessen Zügel an einen der rostigen Eisenringe am Gebäude gebunden war. Der Diener füllte die Satteltasche mit Proviant, während der Patron in rotem Mantel und mit einem runden schwarzen Hut auf dem Kopf sich liebevoll zu seiner kleinen Tochter hinunterbeugte und ihr zum Abschied einen Kuss gab. Ihre Hand lag auf seiner Schulter, während die Mutter tröstend mit den Fingerspitzen den Hinterkopf des Mädchens berührte.
    Die kleine Szene, deren ungebetener und zufälliger Zeuge er geworden war, entfachte in Vasari erneut den Schmerz über seine Kinderlosigkeit. Wäre seine Ehe mit Söhnen und Töchtern gesegnet gewesen, so hätte sein Leben sicher einen anderen Verlauf genommen, dachte er bitter. Jetzt erst nahm er den gewölbten Bauch der Frau wahr. Sie war schwanger. Ihm entging nicht die Sorge, die sich in ihrem Gesicht widerspiegelte. Niemand wusste besser als er, den die Aufträge und die Recherchen für die Biografien der bedeutenden Künstler seiner Zeit atemlos durchs Land getrieben hatten, dass jede Reise ein Wagnis darstellte. Wer sich in die Welt hinausbegab, vertraute sein Leben unmittelbar Gott an. Räuber, übermütige Adelige, Betrüger und missgünstige Bürger waren nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel, um ihren Vorteil durchzusetzen. Nach so viel Krieg, Plünderung und Verheerung gab es keine moralischen Autoritäten mehr, nur noch das Recht des Stärkeren und die List des Skrupellosen.
    Vasari wollte nicht weiter darüber nachdenken, obwohl ihn der Abschied eines Vaters von seiner Tochter daran erinnert hatte, aber die Welt, in der er lebte, war nicht mehr die seine. Er trieb sein Pferd an. Wie Rosen und Veilchen kam ihm nun der herbe Duft nach Fleisch und Urin vor, der ihm entgegenschlug, als er sich dem Ponte Vecchio näherte. In den winzigen Häusern auf der Brücke hatten die Gerber und Metzger ihre Quartiere aufgeschlagen. Die Abfälle entsorgten
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