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Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kuppel des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sebastian Fleming
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weiter übrig, als sich an den Geschmack in seinem Mund zu gewöhnen, weil die Säuernis nicht weichen wollte und er nichts hatte, um sie hinunterzuspülen.
    Der Halbmond hing wie eine beschädigte Laterne über dem Weg. Er war langsamer vorangekommen, als er gehofft hatte. Um diese Zeit hatte er schon in Aquapendente sein wollen. So ging er schließlich doch noch abends ins Gebirge. Vasari bekreuzigte sich und bat den Herrn inständig um Beistand. Rechts und links säumten kahle Pappeln den ansteigenden Buckelweg. Ohne Laub wirkten die Bäume wie Ruten, erstarrt, zerbrechlich und vor allem tot, so als würden niemals wieder Blätter und Früchte aus dem tauben Holz sprießen. Je
stärker die frostige Luft ihm durch Mantel, Hose und seinen Malerumhang drang, umso mehr drückte bleiern die Müdigkeit auf seine Lider. Was vermochte er dem Schlaf schon entgegenzusetzen? Je weiter er sich von Rom entfernte, desto schmerzhafter wurden die Gewissensbisse. Von Isabellas Gestalt zu träumen half ihm zum Glück dabei, die Schuldgefühle zu verdrängen, die er ihretwegen empfand. Wenige Stunden zuvor hatte sie im Atelier vor ihm gestanden. Die Erinnerung an den Anblick ihres nackten Leibes im Kerzenlicht erregte ihn. In der Kälte und der Dunkelheit, die ihn umgab, genoss er die langsame Erektion, weil sie ihm eine Ahnung von Wärme vorgaukelte. Sich jetzt wohlig in einen warmen Leib wühlen zu können … Vasari stellte sich die begabte Kurtisane Pippa dabei vor, wie sie … Sein Hengst bäumte sich plötzlich auf und wieherte, dass es durch Mark und Bein ging. Hätte sich Vasari nicht, einem Impuls folgend, an den Leib des Schimmels gepresst, wäre er zu Boden gestürzt. Mit einem Mal war er wieder hellwach.
    Im Silberreif des Mondlichts stand auf dem von Bäumen eingefassten Hohlweg wie in einem Tunnel ein Wolf. Starr, fast wie eine Statue. Das Raubtier musterte ihn nur aus seinen unbewegten gelben Augen. Seiner Reglosigkeit haftete etwas Trauriges an. Ein Prachtexemplar, ein fast vier Ellen großes, nur aus Muskeln und Knochen bestehendes Wesen. Als Maler hatte Vasari einen Blick für die Anatomie der Körper. Er konnte Kraft sehen. Wollte ihn das Raubtier anfallen? Bedächtig zog er blank. Er hatte nicht vor, den Grauen zu reizen, aber er bevorzugte es, für einen Angriff gerüstet zu sein. Wie ein Blitz durchfuhr ihn der Gedanke, dass im Dickicht links und rechts des Weges die anderen Wölfe des Rudels auf den passenden Moment warteten, um über ihn herzufallen. Nichts im Tierreich jagte klüger als ein Wolfsrudel. Doch aus dem dunklen Gesträuch leuchtete nicht das hungrige Gelb ihrer Augen hervor. Scheinbar hatte er einen einsamen Jäger vor sich.
    Vasaris Frau, die nicht einmal ahnte, dass er auf dem Weg zu ihr war, würde ihm einen begeisterten Empfang bereiten. Er dachte mit Überdruss an sie und wusste zugleich, wie ungerecht das war. Doch sein Herz hatte er in Rom zurückgelassen. In der Tat hatte er erst vor wenigen Tagen erfahren, dass er überhaupt noch ein Herz besaß, das fähig war zu lieben. Er hatte die Liebe gefunden und gleich wieder verloren. Wie auch seine Sehnsucht, seine Hoffnung und den Tod. Aber er konnte noch so schnell vor seinen Mördern fliehen, der Sensenmann würde ihn am Ende aller Tage doch erwarten wie der Wolf vor ihm. Vasari widerstrebte es, ihn zu töten – in dieser Stunde empfand er wegen der Einsamkeit, die sie verband, fast so etwas wie Liebe zu dem Tier.
    »Wo ist dein Rudel?«, fragte er halblaut. Der Wolf knurrte leise, freundschaftlich. Plötzlich vernahm der Architekt Pferdegetrappel, das sich in seinem Rücken näherte. Der Wolf hob den Kopf. Er konnte es ihm ansehen, dass der erfahrene Jäger die Gefahr witterte. Als er sich umblickte, sah er zwei in Lumpen gehüllte Männer, die ihre Degen zogen. Vasaris Blick flog zwischen dem Wolf und den beiden Meuchelmördern hin und her. Das Pferd begann unruhig zu tänzeln. Es spürte die Unentschlossenheit seines Herrn.
    Ihm schien, dass es nicht dieselben Männer waren, die ihn in seinem Atelier in der Villa del Belvedere überfallen hatten. Vasari fühlte sich gekränkt, denn an der Kleidung der Verfolger erkannte er, dass seine Feinde nur zwei ordinäre Strauchdiebe angeheuert hatten, um ihn auf der Flucht abzuschlachten. Diese Schurken würden in wenigen Tagen sein Leben durch ihre Kehle laufen lassen. War er so wenig wert?
    Wer war gefährlicher, auf wen sollte er sich zuerst stürzen? Wem er den Rücken bot, der würde ihn
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