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Die Kunst des Pirschens

Titel: Die Kunst des Pirschens
Autoren: Carlos Castaneda
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etwas, das im Bereich eines jeden Menschen liegt; jeder von uns kann, mit unvorstellbaren Ergebnissen, direkt auf die Erinnerungen unserer Leuchtkraft zurückgreifen.
    Und dann sagte Don Juan, sie würden bei Einbruch der Dämmerung fortgehen. Das einzige, was sie noch für mich tun müßten, wäre, eine Öffnung, eine Unterbrechung im Kontinuum meiner Zeit zu schaffen. Sie wollten mich in einen Abgrund springen lassen, um auf diese Weise die Emanationen des Adlers zu unterbrechen, die für mein Gefühl, ein ganzes und kontinuierliches Wesen zu sein, verantwortlich sei. Diesen Sprung sollte ich tun, während ich im Zustand normaler Bewußtheit wäre; dem lag die Idee zugrunde, daß meine zweite Aufmerksamkeit die Führung übernehmen, und ich, statt in der Tiefe des Abgrunds zu sterben, ganz und gar in das andere Selbst eingehen würde. Don Juan sagte, ich würde schließlich, wenn meine Energie erschöpft wäre, aus dem anderen Selbst wieder hervorgehen; ich würde aber nicht an dem Berggipfel herauskommen, von dem ich abspringen sollte. Er sah voraus, daß ich am Platz meiner Vorliebe auftauchen würde, wo immer es sein mochte. Und dies wäre die Unterbrechung im Kontinuum meiner Zeit.
    Dann stieß er mich vollständig aus meiner linksseitigen Bewußtheit hinaus. Und ich vergaß meinen Schmerz, mein Ziel, meine Aufgabe.
    An diesem Nachmittag, bei Anbruch der Dämmerung, sprangen Pablito, Nestor und ich tatsächlich von einer Klippe hinab. Der Schlag des Nagual war so genau und so barmherzig gewesen, daß von dem gewichtigen Ereignis ihres Abschieds nichts über die Grenzen jenes anderen gewichtigen Ereignisses, daß wir in den sicheren Tod sprangen und nicht starben, hinausdrang. So furchteinflößend dieses Ereignis war, so verblaßte es doch im Vergleich mit dem, was in einem anderen Reich geschah.
    Don Juan ließ mich genau in dem Augenblick springen, als er und alle seine Krieger ihre Bewußtheit entfacht hatten. Ich hatte wie im Traum die Vision einer Reihe von Menschen, die mich anblickten. Danach erklärte ich mir dies rational als eine unter einer langen Folge von Visionen und Halluzinationen, die ich beim Springen gehabt hatte. Dies war die dürftige Interpretation meiner rechtsseitigen Bewußtheit, die von der Erhabenheit des Augenblicks überwältigt war.
    Auf meiner linken Seite hingegen erkannte ich, daß ich in das andere Selbst eingetreten war.
    Dieser Eintritt hatte nichts mit meiner Rationalität zu tun. Die Krieger aus Don Juans Trupp hatten mich für einen ewigen Augenblick aufgefangen, bevor sie in das totale Licht verschwanden, bevor der Adler sie passieren ließ. Ich wußte, daß sie sich in einem Reich der Emanationen des Adlers befanden, das mir nicht mehr erfassbar war. Sie warteten auf Don Juan und Don Genaro. Ich sah, wie Don Juan sich an die Spitze stellte. Dann waren sie nur noch eine Reihe herrlicher Lichter am Himmel. Irgend etwas, es mochte ein Wind sein, ließ die Lichterkette sich winden, sich zusammenziehen und strecken. Am einen Ende, wo Don Juan sich befand, war ein starkes Leuchten. Ich dachte an die gefiederte Schlange der toltekischen Sage, und dann waren die Lichter verschwunden.
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