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Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)

Titel: Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen (German Edition)
Autoren: Rolf Dobelli
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glückliches Händchen feiern.
    Diesen Effekt nennt man Stage Migration oder Will-Rogers-Phänomen , benannt nach einem amerikanischen Komiker aus Oklahoma. Dieser soll gewitzelt haben, dass Einwohner von Oklahoma, die Oklahoma verlassen und nach Kalifornien ziehen, den durchschnittlichen IQ beider Bundesstaaten erhöhen. Das Will-Rogers-Phänomen ist nicht intuitiv verständlich. Um es im Gedächtnis zu verankern, muss man es einige Male in verschiedenen Settings durchexerzieren.
    Ein Rechenbeispiel aus der Automobilbranche. Ihnen sind zwei kleine Verkaufsfilialen unterstellt mit insgesamt sechs Verkäufern – Autoverkäufer 1, 2 und 3 in der Filiale A und Autoverkäufer 4, 5 und 6 in der Filiale B. Verkäufer 1 verkauft im Durchschnitt ein Auto pro Monat, Verkäufer 2 zwei Autos pro Monat und so weiter bis zum Starverkäufer 6, der sechs Autos pro Monat verkauft. Wie Sie leicht nachrechnen können, beträgt der durchschnittliche Umsatz pro Verkäufer in Filiale A zwei Autos, in Filiale B fünf Autos. Nun transferieren Sie Verkäufer 4 von Filiale B in die Filiale A. Was geschieht? Filiale A besteht neu aus den Verkäufern 1, 2, 3 und 4. Der durchschnittliche Umsatz pro Verkäufer ist von zwei Stück auf 2,5 Stück gestiegen. Filiale B besteht nur noch aus den Verkäufern 5 und 6. Der durchschnittliche Umsatz pro Verkäufer ist von fünf auf 5,5 gestiegen. Solche Umschichtungsspiele verändern gesamthaft nichts, aber sie machen Eindruck. Besonders Journalisten, Investoren und Aufsichtsräte sollten auf der Hut sein, wenn sie über steigende Durchschnittswerte in verschiedenen Ländergesellschaften, Abteilungen, Kostenstellen, Produktlinien etc. informiert werden.
    Ein besonders tückischer Fall des Will-Rogers-Phänomens findet sich in der Medizin. Tumore werden üblicherweise in vier Entwicklungsstadien eingeteilt – von Stadium 1 bis 4 – daher der Begriff Stage Migration ( Stadiumsmigration ). Bei den kleinsten und am besten therapierbaren Tumoren spricht man von Stadium 1, bei den schlimmsten von Stadium 4. Entsprechend ist die Überlebenschance für Stadium-1-Patienten am größten, für Stadium-4-Patienten am geringsten. Nun kommen jedes Jahr neue Verfahren auf den Markt, die eine immer genauere Diagnose ermöglichen. Die Folge: Es werden winzige Tumore entdeckt, die früher keinem Arzt aufgefallen wären. Die Folge: Patienten, die früher – fälschlicherweise – als kerngesund galten, werden nun dem Stadium 1 zugerechnet. Automatisch steigt die durchschnittliche Lebensdauer der Stadium-1-Patienten an. Ein großartiger Therapieerfolg? Leider nicht: bloße Stage Migration .



HAST DU EINEN FEIND, GIB IHM INFORMATION
    Information Bias
    In seiner Kurzgeschichte Del rigor en la ciencia , die aus einem einzigen Abschnitt besteht, beschreibt Jorge Luis Borges ein Land, wo die Wissenschaft der Kartografie so ausgereift ist, dass nur die detaillierteste aller Karten genügt – also eine Karte im Maßstab eins zu eins, die so groß ist wie das Land selbst. Dass eine solche Karte keinen Erkenntnisgewinn liefert, leuchtet ein, denn sie dupliziert bloß das Vorhandene. Borges’ Landkarte ist der Extremfall eines Denkfehlers, den man Information Bias nennt: Des Irrglaubens, mehr Information führe automatisch zu besseren Entscheidungen.
    Ich suchte ein Hotel in Berlin, stellte eine Vorauswahl von fünf Angeboten zusammen und entschied mich spontan für eines, das mir auf Anhieb gefiel. Doch so ganz vertraute ich meinem Bauchgefühl nicht und wollte die Qualität der Entscheidung dadurch verbessern, dass ich noch mehr Informationen einholte. Ich ackerte mich durch Dutzende von Kommentaren, Bewertungen und Blog-Einträgen zu den verschiedenen Hotels und klickte mich durch unzählige Fotos und Videos. Zwei Stunden später entschied ich mich für jenes Hotel, das mich schon ganz am Anfang angesprochen hatte. Die Lawine an zusätzlicher Information führte zu keiner besseren Entscheidung. Im Gegenteil, meinen Zeitaufwand in Geld umgerechnet, hätte ich ebenso gut im Adlon Kempinski absteigen können.
    Der Forscher Jonathan Baron hat Ärzten folgende Frage gestellt: Ein Patient leidet an Symptomen, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % auf Krankheit A hinweisen. Falls es nicht Krankheit A ist, handelt es sich entweder um Krankheit X oder Y. Jede Krankheit muss anders behandelt werden. Jede der drei Krankheiten ist etwa gleich schlimm, und jede Behandlung zieht vergleichbare Nebeneffekte nach sich. Welche Behandlung
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